Die Ibiza-Affäre ist keine zwei Jahre her, schon steckt Österreich in einem neuen Politskandal. Wieder geht es um mögliche Bestechung und wieder um Parteispenden. Verstrickt ist Finanzminister Gernot Blümel. Die Journalistin Eva Linsinger prophezeit Bundeskanzler Sebastian Kurz schwierige Tage.
SRF News: Dem Finanzminister wird Bestechlichkeit vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Es kommt gar zur Hausdurchsuchung. Muss Blümel zurücktreten?
Eva Linsinger: Die Opposition fordert das lauthals. Blümel selbst sieht keinen Grund, zurückzutreten. Er bezeichnet die Vorwürfe gegen ihn als Verleumdung. Am spannendsten ist derzeit, was der Grüne Koalitionspartner zur Sache sagt. Die Partei ist mit dem Slogan «Saubere Umwelt – saubere Politik» angetreten.
Korruption auch nur ansatzweise zu decken, wäre für die Grünen enorm schwierig. Nächste Woche kommt es zu einer Sondersitzung und einem Misstrauensantrag gegen den Finanzminister im Parlament. Noch ist unklar, wie sich die Grünen verhalten werden.
In anderen Ländern würden allein solche Vorwürfe für einen Rücktritt reichen.
Österreich ist leider bekannt für Skandale, Skandälchen und Alltagskorruption. Die Standards, bei denen man zurücktritt, sind anders als in anderen Staaten. Das wirft kein gutes Licht auf Österreich. Es gab noch nie eine Hausdurchsuchung bei einem amtierenden Finanzminister. Gegen fast 40 Prozent der Finanzminister seit dem Jahr 2000 gab es zwar Gerichtsverfahren oder Vorerhebungen. Aber bei allen nach Ende ihrer Amtszeit.
Blümel gilt als enger Vertrauter von Kanzler Kurz. Wie gefährlich sind die laufenden Ermittlungen für ihn?
Extrem gefährlich. Erst vor kurzem musste die Arbeitsministerin aus dem Team Kurz zurücktreten. Es gab Vorwürfe gegen Christine Aschbacher, dass sie ihre Diplomarbeit und Dissertation als fast schon schmähliches Plagiat eingereicht haben soll. Das ist inzwischen fast vergessen. Bei Blümel liegt der Fall anders: Er ist ein enger politischer Weggefährte von Kurz und war immer die Nummer 2 hinter ihm.
Dazu kommt: Schon in normalen Zeiten hat der Finanzminister eine wichtige Rolle in der Regierung inne. In Pandemiezeiten samt riesigem Wirtschaftseinbruch wäre ein voll handlungsfähiger Finanzminister essenziell. Das ist er aber nicht – unabhängig davon, was an den Vorwürfen dran ist.
Kurz musste Tirol mit Reisesperren belegen und wird dafür kritisiert. Die Ermittlungen zum Terror von Wien kamen zum Schluss, dass der Verfassungsschutz grosse Fehler gemacht hatte – dieser untersteht einem ÖVP-Minister. Jetzt die Spendenaffäre um den Finanzminister. Wie angeschlagen sind Kanzler Kurz und seine Partei?
Es sind die schwärzesten Tage, seit er Kanzler ist. Sein Nimbus ist weg. Vor vier Jahren trat er an als derjenige, der es nicht nötig hat, sich mit altertümlichen Bünden und Bundesländern herumzuschlagen. Als jemand, der allein nach seinem Gewissen handelt und keine Ratschläge braucht. Dieser Ruf des Machers ist auch durch die grenzpeinlichen Tirol-Auftritte extrem angeschlagen. Dort wurde klar: Kurz' Macht reicht nur bis an die Grenzen seiner Landeshauptleute.
Zudem hat sein politischer Spezi, der bayerische Ministerpräsident Markus Söder, Grenzkontrollen zu Österreich verhängt. Zentrale Figuren aus dem Kabinett Kurz sind angeschlagen. Auch die Personalauswahl bei den Ministerposten rächt sich. Es ging zuerst um Loyalität und nicht um Kompetenz. Das merkt man in der Krise – und es bringt die ÖVP gehörig ins Taumeln.
Das Gespräch führte Roger Brändlin.