In Malta sind in den letzten Tagen Tausende Menschen auf die Strasse gegangen. Die Protestierenden werfen der Regierung Korruption und Vertuschung im Mord an der Journalistin Daphne Caruana Galizia vor.
Inzwischen hat Premierminister Joseph Muscat seinen Rücktritt für Mitte Januar angekündigt. Dies sei den Menschen in Malta aber nicht genug, sagt ARD-Journalistin Lisa Weiss.
SRF News: Wie kommt die Rücktrittsankündigung Muscats bei der Bevölkerung an?
Lisa Weiss: Es gibt eine gewisse Erleichterung. Trotzdem finden viele, das sei nicht genug. Ausserdem komme der Rücktritt zu spät. Der Sohn der ermordeten Journalistin Caruana Galizia forderte per Twitter den sofortigen Rücktritt Muscats. Das fordert auch der Führer der Strassenproteste in der Hauptstadt Valletta. Dieser sagte, jede Minute, die Muscat noch im Amt sei, könne er dazu benutzen, etwas im Zusammenhang mit dem Mord zu vertuschen.
Weshalb ist Muscat zum Schluss gekommen, dass er sich doch nicht im Amt halten kann?
Er drückt sich dabei etwas verschwurbelt aus. So betonte er, er habe schon immer gesagt, ein Premier solle nicht länger als zwei Legislaturperioden lang im Amt bleiben, deshalb sei die Zeit für seinen Rücktritt jetzt gekommen. Ausserdem sagte er, mit dem verhafteten Geschäftsmann Yorgen Fenech sei ja der Hintermann des Mordes jetzt gefunden worden. Tatsächlich hatte Muscat immer gesagt, er wolle im Amt bleiben, bis der Mord aufgeklärt sei.
Muscat konnte dem Druck der Strasse nicht mehr standhalten.
Der Premier versuchte in seiner Rede offensichtlich, seinen Rücktritt nicht zu stark in Zusammenhang mit der Ermordung Caruana Galizias zu bringen. Allerdings ist sonnenklar, dass er dem Druck der Strasse nicht mehr standhalten konnte.
Am Sonntag demonstrierten bis zu 15'000 Malteserinnen und Malteser in den Strassen Vallettas. Was verlangen sie, ausser dem sofortigen Rücktritt der Regierung?
Sie verlangen, dass Regierungsmitglieder, die womöglich in den Mordfall verwickelt sind, zur Rechenschaft gezogen werden. Grundsätzlich wollen sie aber ein Ende der grassierenden Korruption und der Vetternwirtschaft in Malta.
Die Malteser wollen sich nicht mehr für ihr Land schämen müssen.
Es gibt die starke Vermutung, dass der verhaftete Fenech Beziehungen in höchste Regierungskreise hatte und Premier Muscat dies deckte. Solche Praktiken sollen in Zukunft nicht mehr vorkommen, verlangen die Demonstrantinnen und Demonstranten. Malta solle endlich eine europäische Demokratie werden, sagte einer der Demonstranten. Er wolle sich nicht mehr für sein Land schämen müssen.
Noch ist die Morduntersuchung im Gang. Glauben die Menschen in Malta, dass der Fall vollständig geklärt und es Gerechtigkeit geben wird?
Die meisten glauben, dass sie wissen, was geschehen ist, dass der Mordfall im Wesentlichen aufgeklärt ist. Das Problem ist allerdings die Gerechtigkeit: Die Menschen hoffen zwar darauf, glauben aber nicht, dass es mit Premier Muscat und seiner Regierung dazu kommen wird. Deshalb protestieren sie auch nach der Rücktrittsankündigung Muscats weiterhin auf die Strasse.
Gibt es in Malta Neuwahlen, wenn Muscat Mitte Januar als Premier abgetreten ist?
Das ist noch unklar. In seiner Rede sagt er, die Führerschaft in seiner Partei werde bis zu seinem Rücktritt neu geregelt und ein neuer Premier bestimmt. Das hört sich nicht wirklich nach Neuwahlen an. Dieses Vorgehen begründet Muscat damit, dass die Stabilität im Land gewahrt werden müsse.
Das Gespräch führte Andrea Christen.