Darum geht es: Im Amtsenthebungsverfahren gegen den südkoreanischen Präsidenten Yoon Suk Yeol hat die erste Anhörung vor dem Verfassungsgericht begonnen. Zwei Anwälte des Präsidenten werden Yoon vor Gericht vertreten, er selber ist nicht verpflichtet, vor Gericht zu erscheinen. Yoon hat sich geweigert, der Aufforderung des Gerichts zur Vorlage von Dokumenten nachzukommen und war Vorladungen von Ermittlern in einem separaten Strafverfahren wegen der Verhängung des Kriegsrechts nicht gefolgt. In spätestens 180 Tagen muss das Gericht seinen Entscheid fällen.
Interimspräsident abgesetzt: Etwa zur gleichen Zeit, als die Gerichtsanhörung begann, setzte das Parlament auch Yoons Interims-Nachfolger im Präsidentenamt, Han Duck Soo, ab. Für den von der Opposition eingebrachten Antrag votierten 192 der insgesamt 300 Abgeordneten – deutlich mehr als die benötigte einfache Mehrheit. Jetzt soll Finanzminister und Vize-Premierminister Choi Sang Mok Han den Interimspräsident ersetzen. «Die politische Krise in Südkorea verschärft sich weiter», stellt der in Südkorea lebende Journalist Fabian Kretschmer fest.
Die Verhängung des Kriegsrechts hat die Menschen an das Trauma der Militärdiktatur erinnert.
Vorwürfe an Han: Interimspräsident Han hätte das Land aus den jüngsten politischen Turbulenzen führen sollen. Doch die Opposition warf ihm vor, das jetzt begonnene Verfahren zur Amtsenthebung Yoons am Verfassungsgericht zu erschweren. Han hatte sich geweigert, die drei vakanten Richterstellen des derzeit nur sechsköpfigen Verfassungsgerichts zu besetzen. Da aber eine Zweidrittel-Mehrheit notwendig ist – also sechs Stimmen –, um Yoons Amtsenthebung zu bestätigen, würde derzeit bereits eine Veto-Stimme reichen, um die Amtsenthebung für ungültig zu erklären.
Umstrittenes Kriegsrecht: Der vom Parlament abgesetzte Präsident Yoon hatte am 3. Dezember das Kriegsrecht in Südkorea verhängt, es aber kurz darauf wieder aufgehoben. Die Opposition warf ihm daraufhin Verfassungsbruch vor und leitete ein Amtsenthebungsverfahren ein. Es kam auch zu Massenprotesten, an denen Hunderttausende Südkoreanerinnen und Südkoreaner teilnahmen und den Rücktritt Yoons forderten. «Die Verhängung des Kriegsrechts hat die Menschen an das Trauma der Militärdiktatur erinnert, die bis weit in die 1980er-Jahre gedauert hat», sagt der Journalist Kretschmer.
Ausgang offen: Sollte die Absetzung Yools vom Verfassungsgericht rückgängig gemacht werden, wäre er wieder im Präsidentenamt bis zu den ordentlichen Neuwahlen in gut zwei Jahren. Doch: «Yoon hat sämtliche Unterstützung verloren – Medien, Zivilgesellschaft und Opposition sind gegen ihn. Ausserdem sind seine Beliebtheitswerte im Keller», sagt Kretschmer. Man wäre in diesem Fall also wieder gleich weit, wie vor der Absetzung durch das Parlament. «Das ist nicht wünschbar», so der Journalist. Wird Yoons Absetzung vom Gericht aber bestätigt, müssten innert 60 Tagen Neuwahlen stattfinden.