Die Zahlen sehen gut aus für den Kreml: Rund 78 Prozent der Russinnen und Russen stimmten für die Verfassungsreform, wie die zentrale Wahlkommission bekannt gab. Wichtigster Punkt der Vorlage: Die Amtszeitbeschränkung für den amtierenden Präsidenten wird faktisch abgeschafft. Er darf bis 2036 weiter regieren.
Wladimir Putin schickt sich an, ein ewiger Putin zu werden. Ein Herrscher, der das Land über fast vier Jahrzehnte prägt – ein halbes Menschenleben lang. Ist es das, was die Russinnen und Russen wirklich wollen?
Eine Imitation von Demokratie
Die Frage lässt sich nicht beantworten, trotz des vermeintlich so eindeutigen Abstimmungsresultats. Denn das vom Kreml inszenierte Referendum ist nicht ein demokratischer Entscheid gewesen, sondern bloss die Imitation von Demokratie.
Es beginnt damit, dass der Staat unverhohlen für die Verfassungsänderungen warb. Sogar die – eigentlich zur Neutralität verpflichtete – Wahlkommission liess sich faktisch für eine Ja-Kampagne einspannen. Eine Nein-Kampagne dagegen gab es nicht. Eine solche sei rechtlich nicht vorgesehen, argumentierten die Behörden.
Auch das Abstimmungsprozedere selbst wirft viele Fragen auf. Russische Medien berichteten von zahlreichen Unregelmässigkeiten. Allein die Nichtregierungsorganisation Golos, die den Urnengang verfolgte, erhielt rund 2000 Meldungen über mutmassliche Verstösse.
Immer wieder ging es um Zwang: Lehrer, Ärzte, Beamte und andere Staatsangestellte sind von ihren Chefs «aufgefordert» worden, sich an der Abstimmung zu beteiligen. Dabei schwang stets die Drohung mit: Wer nicht mitmacht, wer nicht «richtig» stimmt, bekommt Probleme.
Im Einzelnen lassen sich diese Vorwürfe nicht überprüfen, aber ihre schiere Menge zeigt, dass die Behörden massiv nachgeholfen haben, um ein genehmes Ergebnis zu erreichen. Die Stimmung in Russland ist nämlich nicht so eindeutig, wie die 78 Prozent Ja-Stimmen einem glauben lassen.
«Alles entschieden»
SRF News hat in den letzten Wochen mit ganz unterschiedlichen Russinnen und Russen gesprochen, in Moskau wie in der Provinz. Erstaunlich viele zeigten sich skeptisch, sie seien gegen die neue Verfassung, sagten manche. Andere verstanden schlicht nicht, wozu es die Reform überhaupt braucht. Und immer wieder hörte man den Satz: «Die Mächtigen haben sowieso schon alles entschieden.»
Natürlich gibt es auch viele Befürworter, solche, die politisch argumentieren. Sie sagen, Putin stehe für Stabilität und sie wünschen sich, dass er so lange wie möglich bleibt.
Die «Umfrage» von SRF News ist nicht im Geringsten repräsentativ. Sie sagt nichts darüber aus, wie viele Russinnen und Russen sich wirklich einen ewigen Putin wünschen. Nur: Die Abstimmung, die am Mittwoch zu Ende ging, zeigt das auch nicht. Ohne gesellschaftliche Debatte, ohne Chancengleichheit für Gegner und Befürworter, mit Wählern, die unter Druck stehen: so lässt sich der Volkswille nicht ergründen.
Präsident Putin hat sich das Recht auf ewige Herrschaft gesichert. Aber es ist kein echter, kein aufrichtiger Sieg. An diesem Sieg ist vieles falsch.