Eigentlich pulsiert das Viertel Besiktas in Istanbul an fast jedem Abend, aber nicht heute. Je später der Wahlsonntag, desto klarer wird: Eine grosse Feier wird es hier nicht mehr geben. Weder für Erdogan noch für seinen Herausforderer Kilicdaroglu.
«Das wird eine lange Nacht», sagt Evran. Die 46-Jährige sitzt mit ihren Freundinnen in einem Bistro. Sie verfolgen gespannt eine Wahlsendung auf einem Grossbildschirm.
Als gegen Mitternacht ein Autokorso am Bistro vorbeifährt, schauen alle Gäste verwundert auf vielleicht ein Dutzend Fahrzeuge voller Flaggen der Regierungspartei AKP. Danach kehrt wieder Ruhe ein. Auch das ist nicht die grosse Feier, nach der man sich hier gesehnt hat.
Weiter Hoffnung auf den Sieg
Dem Bistro gegenüber ist die Bezirkszentrale der CHP, der grössten Oppositionspartei. Dort brennt noch Licht. Es wird gearbeitet, man gleicht eigene Protokolle mit den Werten von Wahlurnen ab.
Vor dem Parteibüro stehen junge Menschen und rauchen. So auch der 28-jährige Baran. «Ich bin noch da, um als Freiwilliger zu helfen, wenn es ein Problem mit den Auszählungen geben sollte. Ich glaube schon noch, dass wir schlussendlich gewinnen werden», sagt er.
Auch auf einem Fernsehsender, der der Opposition nahesteht, heisst es um 3 Uhr morgens, dass 17'000 Urnen noch nicht ausgezählt seien. Etwa 6 Millionen Stimmen sollen das sein.
Die Strassen werden leerer
Die Strassen von Besiktas werden immer leerer, aber in vielen Wohnungen flackert noch das Licht von Fernsehern. Viele sind also noch wach und verfolgen die Ereignisse von zu Hause aus.
So auch in einer Wohnung im Erdgeschoss. Vier Männer sitzen hier an einem Tisch und lachen so laut, dass man es auf der Strasse hört.
Einer von ihnen ist Zafer. Sie trinken Raki, Anisschnaps. «Wir haben auch ganz viel Mezze Häppchen-Teller. Und hoffentlich holen wir den Wahlsieg noch in den Morgenstunden.»