Die Strategie von Valérie Pécresse zeigt sich an ihrer ersten grossen Wahlveranstaltung vom vergangenen Wochenende. Sie greift vor allem einen Gegner an: Emmanuel Macron. Zum Beispiel dessen Versuch, die Geschichte Frankreichs während der Kolonialzeit aufzuarbeiten.
Macron habe Verbrechen gegen die Menschlichkeit zugegeben, die Frankreich nie begangen habe. Macron habe das Land auch nicht vor der Unterwanderung durch Islamisten geschützt – und damit letztlich die französische Kultur verraten.
Frankreich sei unter Präsident Macron unsicher geworden, habe seine Identität verloren. Dies sind zentrale Elemente in Pécresses erster grosser Wahlkampfrede. Sie verspricht einen Kampf gegen Islamismus und Migration, bei dem das Volk mitreden könne: «Ich werde umgehend Volksabstimmungen über Migration, Sicherheit und den französischen Laizismus ansetzen.»
Wenn Valérie Pécresse keine harten Töne anschlägt, riskiert sie Verluste an Eric Zemmour oder Marine Le Pen. Wird sie aber zu radikal, riskiert sie einen Teil ihrer Wählerschaft an Präsident Macron zu verlieren.
Migration, Sicherheit und der Kampf gegen Islamismus – damit greift Pécresse Themen auf, die ihre politische Konkurrenz schon lange pflegt: der rechtsextreme Publizist Eric Zemmour und Rassemblement-National-Chefin Marine Le Pen.
Wer fordert Präsident Macron heraus?
Le Pen, Pécresse und Zemmour liegen nach aktuellen Wahlumfragen dicht beieinander – aber weit hinter Macron zurück. Offen ist, wer aus diesem Trio im ersten Wahlgang Platz zwei erreichen wird und damit in der Stichwahl gegen den amtierenden Präsidenten antreten kann.
Pécresse hat sich in Programm und Rhetorik der rechten Konkurrenz angenähert. Aber sie stehe zwischen zwei Fronten, sagt Sylvain Crépon, Politologe an der Universität Tours: «Wenn Valérie Pécresse keine harten Töne anschlägt, riskiert sie Verluste an Eric Zemmour oder Marine Le Pen. Wird sie aber zu radikal, drohe Pécresse einen Teil ihrer Wählerschaft an Präsident Macron zu verlieren, der seinerseits nach Mitte-Rechts gerückt ist.»
Solche Verschiebungen zeichnen sich schon jetzt ab. In den vergangenen Wochen haben prominente Républicains das Lager gewechselt. Nicht nur in jenes von Macron. So war zum Beispiel der Vizepräsident von Zemmours neuer Partei «La Reconquête», Guillaume Peltier, bis vor kurzem Nummer 2 bei den Républicains. Mit Zemmour habe Frankreichs Rechte erstmals eine Chance, eine breite Volksbewegung zu bilden, die Macron schlagen könne, begründet Peltier im französischen Radio seinen Parteienwechsel.
Schicksalsfrage für die Républicains
Eine Zusammenarbeit mit Marine Le Pen hatten die konservativen Républicains stets ausgeschlossen. Bei Eric Zemmour sei die Lage trotz dessen rassistischer Rhetorik anders, sagt Politologe Crépon, der sich seit langem mit rechtsextremen Parteien beschäftigt. Dies liege an der der liberalen Wirtschaftspolitik Zemmours, die primär auf Deregulierung ziele. Le Pen dagegen verlangt staatliche Eingriffe in die Wirtschaft.
Etabliert sich Zemmour als Galionsfigur der Rechten, dann könnte das Abschneiden von Valérie Pécresse zur Schicksalsfrage für die Républicains werden. Scheidet sie nach dem ersten Wahlgang aus und verfehlt die Stichwahl, dann droht der Partei nach der Präsidentenwahl die Spaltung.