Zum Inhalt springen

Präsidentschaftswahl Kroatien «Linkspopulist» muss in die zweite Runde

Der von den Sozialdemokraten, aber auch von vielen Rechtsnationalen unterstützte 58-jährige Zoran Milanović siegt mit über 49 Prozent der Stimmen deutlich vor dem Konservativen Dragan Primorac mit 19 Prozent. Weil Milanović hauchdünn unter 50 Prozent bleibt, wird ein zweiter Wahlgang nötig.

Nannte seine Gegner «Ratten»

Zoran Milanović war von 2011 bis 2016 Regierungschef des Landes, im Jahr 2020 wurde er erstmals ins Präsidentenamt gewählt. Er hatte in seiner ersten Amtszeit als Präsident seine politischen Gegner immer wieder heftig beschimpft.

Sogar die Verfassungsrichter Kroatiens bezeichnete er als Ratten, Insekten und Analphabeten, weil sie ihn nicht als Regierungschef kandidieren liessen. Seinen Erzrivalen, Regierungschef Andrej Plenković, beleidigt Milanović fast im Wochentakt. Aus diesem Grund wird er oft auch als Linkspopulist bezeichnet.

« Milanović hat das politische Klima vergiftet»

Žarko Puhovski, der wichtigste politische Kommentator Kroatiens, fasst die Leistung von Präsident Milanović gegenüber SRF so zusammen: «Statt sich um die Feinabstimmung in der kroatischen Politik zu kümmern, hat er das politische Klima vergiftet.»

In seinen fünf Jahren als Präsident beschützte Milanović kein einziges Mal das Parlament. Mit seinem Erzrivalen, Regierungschef Andrej Plenković, redet er grundsätzlich nicht. Trotz allem gewann er den ersten Wahlgang jetzt klar. Der wichtigste Grund: Die Wählenden wollten verhindern, dass die in Kroatien fast allmächtige konservative Regierungspartei HDZ auch noch den Präsidenten stellt und damit faktisch zur Alleinherrscherin über das ganze Land geworden wäre.

Nicht pro-russisch

Viele bezeichnen Präsident Zoran Milanović als pro-russisch. Etwa weil er erklärt hatte, dass sich die Nato-Bündnisverpflichtung Kroatiens keinesfalls auf das Nato-Nichtmitglied Ukraine erstrecke. Präsident Milanović sei deswegen nicht pro-russisch sagt dagegen Polit-Analyst Žarko Puhovski klar. «Er ist nur gegen Ministerpräsident Plenković, und der ist pro-amerikanisch und pro-europäisch. Milanović wollte sich von ihm distanzieren.»

Im zweiten Wahlgang ist Milanović haushoher Favorit. Polit-Analyst Žarko Puhovski hält seine Wiederwahl indes für «eine Katastrophe»: «Das bedeutet eine vergiftete politische Atmosphäre. Eine Atmosphäre, in der die Differenz zwischen Rechts und Links verloren ist in seiner Person, weil er als wichtigster Politiker der linken Seite auch unglaublich viel Unterstützung bei den rechtsradikalen Parteien Kroatiens geniesst.»

Das EU-Land Kroatien mit seinen 3.8 Millionen Einwohnern kämpft derzeit mit einer hohen Inflation, mit weit verbreiteter Korruption und einem Arbeitskräftemangel infolge massiver Auswanderung. Ab dem 1. Januar 2025 dürfen sich kroatische Bürgerinnen und Bürger visafrei in der Schweiz niederlassen und hier arbeiten.

Peter Balzli

Österreich- und Osteuropa-Korrespondent

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Peter Balzli hat Wirtschaft und Medienwissenschaften in Bern und Berlin studiert. Danach absolvierte er die Ringier-Journalistenschule und begann 1995 beim SRF zu arbeiten. Bevor er zwischen 2001 und 2013 als SRF-Korrespondent aus Paris und London berichtete, arbeitete Balzli 2000 bis 2001 als Delegierter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz. Seit 2016 ist Peter Balzli Österreich- und Osteuropa-Korrespondent.

Tagesschau, 29.12.2024, 22:40 Uhr

Meistgelesene Artikel