Aussenminister Ignazio Cassis hat in New York an der UNO-Sicherheitsratssitzung zur Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit teilgenommen. Es ist das erste Mal, dass ein Schweizer Bundesrat sein Land als Mitglied des mächtigsten UNO-Gremiums vertritt. Cassis betont im Interview, wie wichtig die Rechtsstaatlichkeit für den Schutz kleinerer Staaten vor der militärischen Macht der Grossstaaten ist.
SRF News: Das Thema an der UNO-Sicherheitsratssitzung war Rechtsstaatlichkeit. Weshalb ist das für Sie so wichtig?
Ignazio Cassis: Die Rechtsstaatlichkeit ist wichtig, weil weiterhin gelten muss, dass die Macht des Rechtes wichtiger ist als das Recht der Macht. Darum geht es. Rechtsstaatlichkeit bedeutet nichts anderes, als dass kleinere Staaten aufgrund von rechtlichen Normen geschützt werden von der militärischen Macht der Grossstaaten. Und das ist natürlich umso wichtiger für die Schweiz.
In diesen ersten zwei Wochen hat es bereits einige wichtige Entscheide gegeben.
Ist das in der Situation zwischen Russland und Ukraine auch ein Punkt, den Sie betonen?
Es ist wichtig für alle Staaten, aber umso wichtiger, je kleiner ein Staat ist. Denn sehr grosse, mächtige Staaten mit mächtigen militärischen Armeen können sich ziemlich viel leisten. Das ist so seit Anbeginn der Zeit. Aber was uns gelungen ist nach dem Zweiten Weltkrieg durch dieses System des Multilateralismus, ist, zu versuchen, die Welt so zu regeln, dass das Recht wichtiger ist als die militärische Macht.
Was ist Ihre Bilanz des Starts der Schweiz im Sicherheitsrat?
Eigentlich positiv. Wir haben einen Vorlaufstest gemacht in den letzten drei Monaten des letzten Jahres von Oktober bis Dezember, sowohl hier als auch in Bern. Wir haben simuliert, was passiert, wenn. Und das Resultat war gut. Das heisst, die Entscheidungsprozesse innerhalb der Verwaltung, aber auch zusammen mit dem Parlament, sind gut etabliert und funktionieren gut. In diesen ersten zwei Wochen hat es bereits einige wichtige Entscheide gegeben – ich denke beispielsweise an die Verlängerung des Abkommens über die humanitäre Hilfe in Syrien, damit man eine Tür hat, um diese Millionen Menschen mit Nahrungsmitteln und mit Gütern zu beliefern.
Eine Frage zur Kritik, dass die Schweiz Waffenexporte durch Deutschland und Spanien an die Ukraine blockiere. Muss der Bundesrat nochmals über die Bücher?
Das habe ich auch gehört, aber nur medial. Das zuständige Wirtschaftsdepartement ist daran, die Lage zu analysieren. Wenn ich es richtig verstanden habe, haben wir gar keine formelle Anfrage von Spanien bekommen. Ich weiss nicht genau, was da passiert ist, aber es ist gestern plötzlich in der Luft gewesen. Wir werden es sicher sorgfältig abklären. Unsere Rechtslage ist die bekannte Rechtslage, die uns dazu geführt hat, gegenüber Deutschland die Entscheide zu fassen, die wir gefasst haben.
Braucht es denn eine Reform dieser Waffenexportgesetze?
Das war bereits die lange Diskussion jetzt über viele Monate. Das Parlament hat ja eine Reform gemacht, aber im umgekehrten Sinn. Es hat eben dem Bundesrat noch restriktivere Vorgaben gegeben. Der Bundesrat hat ohne eine Reform des Gesetzes einen sehr beschränkten Handlungsspielraum.
Das Gespräch führte Viviane Manz.