Medienschaffende werden an Demonstrationen bedrängt oder beschimpft. Immer wieder kommt es zu Übergriffen. Auch Drohungen gegen grosse Medienhäuser haben in den letzten zwölf Monaten stark zugenommen.
Die Pandemie hat die Stimmung in der Schweiz, in Österreich, vor allem aber auch in Deutschland zusätzlich aufgeheizt. Die Schweiz und Deutschland sind im Ranking von «Reporter ohne Grenzen» deswegen abgestiegen – beide um zwei Plätze. Die Schweiz liegt neu auf Platz 10, Deutschland auf Platz 12.
Wie erleben dies die Medienschaffenden selbst? Gabi Probst, Investigativ-Reporterin bei der ARD, und Hubert Krech, Journalist beim ZDF, gehören zu einer Arbeitsgruppe, die mehr Schutz fordert. «Ich bin schon über 20 Jahre in dem Job. Die Stimmung ist schon sehr aggressiv geworden», erzählt Probst.
Vorwurf der «Lügenpresse»
Es sei klar, dass sich Leute manchmal auf den Schlips getreten fühlten und dass sie sich wehrten. «Das ist auch ihr gutes Recht. Man rechnet stets damit, dass sich irgendwann der Anwalt meldet, Kritik übt und sagt, nein, das ist nicht so. Dann sieht man sich vor Gericht wieder oder klärt es vorher.»
Das sei ja alles auf Augenhöhe und auch in Ordnung, so Probst. «Doch was jetzt abgeht, ist eine hohe Aggressivität bis hin zu Beleidigungen, Drohungen, Verunglimpfungen.» Ihre Kolleginnen könnten ein Lied davon singen, etwa wenn es darum gehe, einen Beitrag zu verhindern. «Man ist die Lügenpresse.»
Mittlerweile wird sogar auf Facebook bekannt gemacht, wo ich mich gerade befinde. Das fühlt sich nicht gut an.
Sie habe eine Radiokollegin, die nicht mehr mit dem Logo hinausgehe. «Wenn sie als Reporterin allein unterwegs ist, dann nimmt sie einen neutralen Popschutz mit für das Mikro, weil sie nicht auf sich aufmerksam machen will.» Der Übertragungswagen stehe immer in der Nähe. «Dort ist auch ein Personenschützer. Der ist heutzutage angebracht», sagt Probst.
Checkliste für Ausseneinsätze
Solche Dinge erlebt auch Hubert Krech vom ZDF: «Wir hatten das schon bei den Pegida-Demonstrationen in Dresden und in anderen ostdeutschen Städten, wo immer wieder Personenschutz angemahnt war.» ARD und ZDF, aber auch das Deutschlandradio und die Deutsche Welle hätten zum Teil bereits sehr gute Sicherheitskonzepte. «Sie schicken die Leute nicht mehr ohne Schutz raus. Und man kriegt, wenn man in sensiblen Bereichen unterwegs ist, auch eine Schulung und eine Checkliste im Stil von ‹was mache ich, wenn›.»
Leider sei das notwendig, so der Journalist. «Denn sich nur auf die Polizei zu verlassen, geht nun mal nicht. Sie kann auch nicht überall sein.» Und man müsse sich als Journalist ja auch frei bewegen können, und nicht «in einem Pulk von einem Schutzschild aus Polizei durch die Gegend marschieren». Sonst sei keine Berichterstattung möglich, sagt Krech.
Aufklärung ist wichtig
Doch ist die Pressefreiheit damit noch gewährleistet? «Sie wird angegriffen, aber wir haben sie noch», sagt Probst. «Wir müssen sie einfach jeden Tag neu verteidigen und schützen. Und wir dürfen uns das nicht gefallen lassen.»
Sie und ihre Kolleginnen und Kollegen könnten viel tun: «Vor allen Dingen aufklären, dass wir eben nicht die Lügenpresse sind, und mit Leistung überzeugen.» Das sei ihr Prinzip: «Schaut euch an, was ich mache. Habe ich gelogen? Nein, habe ich nicht. Oder beweist mir das Gegenteil.» Dieses Misstrauen einzufangen und Aufklärung zu betreiben, sei wichtig.
Wie die Situation in der Schweiz aussieht, ist auch Thema in der Sendung Medientalk. Diese gibts online unter www.srf.ch/audio/medientalk.