Problem für Seefracht - Panamakanal wird zum Nadelöhr
Weil zwei Seen in Mittelamerika zu wenig Wasser führen, dürfen Schiffe den Panamakanal nur noch mit einem Teil der Ladung passieren. Dies könnte mittelfristig die Transportrouten weltweit durcheinander bringen. Der Seefracht-Chef von Kühne & Nagel, Otto Schacht, fordert die Branche zum Handeln auf.
«Das habe ich in meinen 45 Jahren in der Branche nur einmal erlebt», sagt Horst Joachim «Otto» Schacht, langjähriger Leiter der Seefrachtdivision von Kühne & Nagel, einem der weltgrössten Logistikkonzerne. Die letzten drei Jahre seien für die Seefracht eine riesige Herausforderung gewesen, vor allem wegen der Covid-Krise. Darüber hinaus hatte das Frachtschiff «Ever Given» für einige Tage den Suezkanal zwischen dem Mittelmeer und dem Roten Meer blockiert.
Weil 80 bis 90 Prozent der Güter heute übers Meer verschoben werden, haben Unterbrüche von Seefahrtsstrassen grosse Auswirkungen. Die Folge waren verspätete oder ausgefallene Transporte, wodurch Lieferketten auf der ganzen Welt durcheinandergekommen sind. Dies spürten nicht nur Industriebetriebe, denen Maschinen, Rohstoffe und Teile fehlten. Auch Kundinnen und Kunden standen in Warenhäusern vor leeren Regalen und in Online-Shops vor unbestimmten Lieferzeiten. Auswirkungen sind bis heute spürbar.
Ein Viertel weniger Waren
Nun tauchte in diesem Jahr ein neues Problem auf: Der Panamakanal, der in Mittelamerika den Atlantischen mit dem Pazifischen Ozean verbindet, führt zu wenig Wasser, um die riesigen Ozeanfrachter sicher durch den Kanal zu bringen. Grund dafür ist fehlendes Frischwasser. Die Schleusen des Kanals werden aus zwei grossen Seen gespiesen.
Der Panamakanal
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Der rund 80 Kilometer lange Panamakanal verbindet den Atlantik und den Pazifik. Der Kanal wird an beiden Eingängen durch ein Schleusensystem betrieben, das die Schiffe fast 30 Meter in die Höhe hebt. Dadurch musste beim Bau weniger tief gegraben werden.
Im Eröffnungsjahr 1914 passierten gegen 1000 Schiffe die Schleusen, 2021 waren es über 13'000. Seit dem 2016 beendeten Ausbau können aber auch bedeutend grössere Schiffe durch den Kanal fahren als vorher. Während die maximale Ladung vor 2016 nur 4600 Container umfasste, dürfen heute 14'000 Container geladen werden.
Dem Kanal erwächst heute Konkurrenz durch den Suezkanal zwischen dem Mittelmeer und dem Roten Meer, da durch diesen noch grössere Schiffe fahren können. Obwohl die Route von Asien an die Ostküste der USA etwas länger ist, kann dies wirtschaftlich interessant sein. Insbesondere auch, wenn durch Niedrigwasser beim Pananmakanal weiterhin Probleme bestehen sollten.
Ideen für einen Kanal wurden bereits seit dem 16. Jahrhundert geäussert. Unter französischem Banner startete ein erster Bauversuch 1881, scheiterte aber. Eröffnet wurde der Kanal schliesslich 1914 durch die USA, die den Kanal bis 1999 betrieben. Danach ging er offiziell in den Besitz von Panama über.
Rund 200 Millionen Liter Wasser braucht es für einen Schleusengang – und das für jedes der rund 13'000 Schiffe, die im Jahr durch den Kanal fahren. Doch wegen langer Trockenheit und ausbleibenden Regens in traditionell feuchteren Jahreszeiten konnten die Seen zu wenig Wasser speichern. Ausserdem ist einer der Seen selbst Teil des Kanals – und weil er so wenig Wasser hat, drohen die Ozeanriesen auf Grund zu laufen. Die Kanalbetreiber haben deshalb verfügt, dass Schiffe nur noch mit 75 Prozent der normalen Ladung durch den Kanal fahren dürfen. Diese Verfügung wurde eben bis mindestens Ende August verlängert. Das Problem: Jeder Container, der nicht verladen wird, verursacht zusätzliche Kosten.
Abgekühlte Wirtschaft hilft etwas
Otto Schacht mag hier noch nicht von einer neuen Krise sprechen. «Die Kundinnen und Kunden dürften davon kaum etwas spüren», sagt der erfahrene Logistiker. In diesem Jahr hat die etwas abgekühlte Weltwirtschaft geholfen; es waren ohnehin weniger Container unterwegs. Und sollte es im nächsten Jahr wieder Einschränkungen geben, habe die Branche Alternativen, sagt Schoch.
Ein Teil der Güter kann auf dem Landweg per Zug oder Lastwagen durch die USA fahren – oder auf die langwierige Route vorbei am Kap Horn an der südliche Spitze von Südamerika geschickt werden. Das würde den Transport deutlich verlängern und verteuern. Das sei verschmerzbar, wenn es nicht zu lange dauere.
Klimawandel wird für Seefracht spürbar
Das viel grössere Problem sei ein anderes: «Zum ersten Mal erlebt die Seefracht die Klimaveränderung am eigenen Leibe.» Schacht setzt sich in der Branche seit langer Zeit dafür ein, dass die Seefracht auf umweltfreundlichere Schiffe umstellt. Sie ist heute noch für fünf Prozent des weltweiten CO₂-Ausstosses verantwortlich.
Abkürzung durch die «eisfreie» Arktis
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Seit einigen Jahren schmilzt das Eis in der Arktis in den Sommermonaten immer mehr. Dadurch können Schiffe die so genannten Nordost- und Nordwest-Passage je nach Wetterlage für einige Monate manchmal ohne Eisbrecher passieren. Eisfreie Passagen im Norden würden die Schiffrouten zwischen Asien und Europa/USA verkürzen. Im Moment wird diese Route aber noch kaum kommerziell genutzt.
Der Leiter der Kühne&Nagel-Seefrachtdivision, Otto Schach,t sagt, ökonomisch mache die Nutzung dieser Routen in den nächsten 50–60 Jahren noch keinen Sinn. Er hofft, dass das auch so bleiben wird: «Es wäre eine Katastrophe für die Menschheit, wenn die Route eisfrei bleiben würde.» Falls das Eis doch weiter schmelzen sollte, würden Kühne & Nagel und andere Transportunternehmen diese Strecken dennoch nicht nutzen, um die fragile Umwelt nicht weiter zu gefährden. «Wir werden keine Container auf Schiffe laden, welche diese Passagen benutzen.» Sie haben sich dazu dem «
Arctic Corporate Shipping Pledge
» angeschlossen.
Dieser «Schwur» verpflichtet angeschlossene Firmen, sich für den Schutz der Arktis einzusetzen. Sie sollen sich für die Reduktion der Emissionen im Transportwesen generell einsetzen. Darüber hinaus sollen Firmen, die Konsumgüter herstellen, diese Waren keiner Transportfirma übergeben, welche durch die Arktis fährt. Angeschlossene Transportfirmen wiederum verzichten, Container auf diese Schiffsrouten zu buchen und keine eigenen Schiffe über die Nordwest- oder Nordostpassage zu schicken.
Otto Schacht glaubt nicht, dass die Panama-Passage langfristig unpassierbar wird: «Der Kanal wurde bisher nicht gesperrt und wird es wohl auch nicht werden», meint er. Allenfalls werde die Route für viele Reedereien mit der Zeit unrentabel. Durch den Suezkanal können schon jetzt deutlich grössere Schiffe fahren.
«Auch Seefracht muss für Klimaziele kämpfen»
Es warten jedoch weitere Herausforderungen durch den Klimawandel. Forscher prognostizieren extreme Wetterphänomene auf den Seefahrtsrouten, überschwemmte oder verlandete Seehäfen, zerstörte Verteilnetze im Hinterland. Dazu meint der Logistik-Experte: «Das wird die Seefracht, falls überhaupt, erst in 50 bis 100 Jahren treffen.» Er will deshalb auch noch nicht darüber sprechen, wie sich die Branche auf mögliche zukünftige Auswirkungen der Klimaveränderung vorbereiten soll. «Wir müssen zuerst einmal alles dafür tun, dass es gar nicht so weit kommt. Wir müssen mit aller Kraft die Klimaerwärmung stoppen», gibt Otto Schacht seinem Nachfolger mit auf den Weg, dem er das Steuer der Seefracht-Division von Kühne & Nagel noch in diesem Jahr übergibt.
Horst Joachim «Otto» Schacht
Executive Vice President Sea Logistics von Kühne & Nagel
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Hans Joachim Schacht, genannt «Otto», ist seit rund 45 Jahren in der Meereslogistik tätig. Seit 1997 arbeitet er bei Kühne & Nagel, einem der weltgrössten Logistikunternehmen, als Chef der Seefracht-Division. Der 64-Jährige setzt sich in der Branche seit längerer Zeit für umweltfreundlichere Schiffe sowie eine deutliche Reduktion der CO₂-Emissionen in der Meereslogistik ein.
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