Italien stand in Europa von Anfang an im Mittelpunkt der Corona-Krise. Noch immer ist die Lage ernst, es besteht die Gefahr einer Ausbreitung nach Süditalien. Doch es gibt Hoffnung: Die letzten zwei Tage ist die Zahl der Infizierten weniger stark gestiegen, das kann sich aber wieder ändern.
Für grosse Sorgenfalten sorgt nicht nur die Gesundheits-, sondern auch die Wirtschaftslage. Gestern mussten alle Fabriken und Industriebetriebe, die nicht lebensnotwendige Güter produzieren, schliessen. Der Bürgermeister von Bergamo, Giorgio Gori, hatte dies schon Anfang März gefordert. Nun ist er dankbar, dass sein Ruf und der vieler Amtskollegen doch noch erhört wurde.
Vier von zehn Personen ausser Haus
Es sei absolut notwendig gewesen, die Produktion nicht lebensnotwendiger Güter zu stoppen, sagt Gori via Skype. Sicher, das sei schmerzhaft und das werde am Schluss Milliarden kosten. Und doch habe es diesen Schritt gebraucht, denn letzte Woche seien noch immer zu viele Leute in der Lombardei und in ganz Italien unterwegs gewesen. Die Handyortung ergab, dass letzte Woche vier von zehn Lombarden weiter ausser Haus gingen.
Diese Zahl werde nun weiter sinken, so Gori. Hoch aber bleibt die Zahl der Kranken in und um Bergamo. Die Lage sei weiterhin äusserst schwierig. Die Spitäler seien noch immer überfordert. 429 Corona-Patienten mussten in den letzten Tagen aus Bergamo und Umgebung auf andere italienische Regionen verteilt oder gar ins Ausland geflogen werden. Zudem geht der Bürgermeister davon aus, dass gewisse Familien in Bergamo ihre Kranken gar nicht melden.
Dies, weil sie sich davor fürchten, ihre Liebsten im Spital unter strikter Quarantäne nicht mehr besuchen und nicht mehr sehen zu können. Aufgrund dieser schmerzvollen Erfahrungen ruft Gori all jene Länder zum schnellen Handeln auf, die noch nicht so viele Kranke haben. Vor allem Nordeuropa solle jene Zeit, die es punkto Ausbreitung zurückliege, nutzen, anstatt zu zögern.
Es solle schneller handeln als Italien. Den Produktionsstopp für Güter, die nicht lebenswichtig sind, hatte Italien erst letztes Wochenende verhängt.
Genesene sollen wieder zur Arbeit gehen
Eine nötige Massnahme, wiederholt Gori, aber auch eine, die sich Italien nicht lange werde leisten können. Der Schaden fürs Land, für die Wirtschaft und somit für die Bevölkerung wäre zu gross, sagt der sozialdemokratische Politiker. Er denkt deshalb schon weiter. Wie nämlich Italien sowohl die Ausgangssperre als auch den weitgehenden Produktionsstopp möglichst bald überwinden könne – zum Beispiel mit breit angelegten Coronatests.
Vor allem junge oder jüngere Leute, die erwiesenermassen genesen sind oder sich gar nie angesteckt haben, müssten bald wieder arbeiten dürfen, so der Bürgermeister. Währenddessen müsse man die Verletzlichsten, also Betagte oder chronisch Kranke, weiter umfassend schützen. Am Schluss des Gesprächs sagt er: Er sei überwältigt davon, wie viele Leute Hilfe anböten. Die Solidarität komme aus Bergamo selber, aber auch aus ganz Italien, aus Deutschland oder gar aus Kuba. Dafür möchte Giorgio Gori danken.