Moses nimmt die Besucher im Hisbollah-Museum im südlibanesischen Mleeta in Empfang. Als erstes bittet der Museumsführer, in einem Kinosaal Platz zu nehmen. Der Propagandafilm ist ein lauter, schneller und dramatischer Abriss der libanesischen Geschichte aus Sicht der Hisbollah-Miliz: Bürgerkrieg in den 70er- und 80er-Jahren, Einmarsch der israelischen Streitkräfte in den Libanon, Gründung der Hisbollah-Miliz. Kernbotschaft: der glorreiche Widerstand gegen die Israelis.
Hier die bösen Israelis, die den Menschen in Libanon unsägliches Leid zufügen; da die tapferen Hisbollah-Milizen, die für die Befreiung ihres Landes kämpfen. Im Jahr 2000: Sieg der Hisbollah, Israel zieht seine Truppen nach 22 Jahren aus dem Libanon ab. Mit den Worten «Israel ist gefallen» endet der 12-minütige Film. Moses macht Licht. Die Führung geht im Freien weiter.
«Die Israelis sind uns technologisch überlegen», sagt Moses. «Wir müssen vieles von Hand machen.» Er zeigt auf einen Stein, der täuschend echt aussieht. Aber es ist eine Fiberglas-Attrappe, ein Versteck vor dem ersten unterirdischen Tunnel, der eng und niedrig – und 200 Meter lang ist.
Das Licht ist schummrig. «Früher war der Strom hier gut: heute haben wir ein Elektrizitätsproblem», sagt er. Das ist nicht das einzige, was die Hisbollah plagt – aber darüber darf Moses nicht reden. Er führt hinaus zum Aussichtspunkt.
Das Museum hat bereits rund zwei Millionen Besucher aus aller Welt angezogen. Es soll ihnen zeigen, «dass sich ein kleines, geeintes Land wehren und in Frieden leben kann», so der Chef der Museumsführer. «Israel wird es sich eine Million Mal überlegen, ob es Libanon wieder bedroht», sagt er.
In Libanon gibt es Experten, die einen neuen Krieg mit Israel befürchten. Nur: Im Gegensatz zum letzten Krieg könne die Hisbollah nicht mehr auf uneingeschränkte Mittel seines Hauptsponsors Iran zählen. Das sagt Mohanad Hage Ali vom Carnegie Middle East Center. «Irans Ölverkäufe sind wegen den US-Sanktionen dramatisch eingebrochen. Das Haushaltsbudget ist auf einen Fünftel seiner ursprünglichen Grösse zusammengeschrumpft,» so der Politologe.
Weil weniger Geld von Iran komme, habe die Hisbollah die Löhne ihrer Kämpfer kürzen müssen. Eskaliere der Konflikt der USA und Israel mit Iran, befürchtet Ali, dass auch die Hisbollah als Verbündete hineingezogen würde. Nur schon deshalb, weil die schiitische Miliz nicht nur in Libanon Kämpfer hat, sondern auch in Syrien – ausgerechnet in der Nähe der von Israel besetzten Golanhöhen. «Ein Krieg mit Israel würde totale Zerstörung in Libanon bedeuten», so Ali. Geld für den Wiederaufbau hätte die Hisbollah dann nicht.
Weniger dramatisch sieht das Kamel Wazne, Professor an der Lebanese University. Die Hisbollah werde keinen neuen Krieg beginnen, denn das würde ihr nichts nützen. Wenn ihm etwas schlaflose Nächte bereite, dann der drohende Wirtschaftskollaps des Landes. «Nichts bedroht Libanon mehr als seine fragile Wirtschaft». Die Hisbollah komme schon zu Geld.
Wirtschaftskrise, Spannungen in der Region, eine schwache Zentralregierung – die Libanesen leben in grosser Unsicherheit. Ironischerweise komme genau das der Hisbollah zugute. Viele, die Angst vor Krieg haben, trauen der Miliz am ehesten zu, sie zu verteidigen, erklärt Wazne. Genauso glorreich, wie ihnen das die Hisbollah in ihrem «Museum für Widerstandstourismus» verspricht.