- Eines der profiliertesten Mitglieder im britischen Kabinett, Arbeitsministerin Amber Rudd, legt ihr Amt aus Protest gegen die Brexit-Politik von Premier Boris Johnson nieder.
- Der Rücktritt der als gemässigt geltenden Konservativen ist ein schwerer Schlag für Premier Johnson.
- Als Grund nannte Rudd auch den Rauswurf von Abgeordnetenkollegen durch Johnson aus der Tory-Fraktion.
«Ich kann nicht zusehen, wie gute, loyale, moderate Konservative ausgeschlossen werden», schrieb Rudd. «Ich kann diesen politischen Vandalismus nicht mittragen», erklärte die Politikerin weiter. Deshalb trete sie auch aus der Fraktion aus.
Johnson hatte am Dienstag 21 Tory-Rebellen aus der Fraktion geworfen, die im Streit um den Brexit-Kurs des Premierministers gegen die eigene Regierung gestimmt hatten. Darunter prominente Mitglieder wie der Alterspräsident und ehemalige Schatzkanzler Ken Clarke und der Enkel des Kriegspremiers Winston Churchill, Nicholas Soames.
Unauflösbare Spannung
Der Premier steht wegen seines harschen Vorgehens zunehmend in der Kritik. Am Donnerstag legte bereits sein Bruder, Jo Johnson, aus Protest sein Amt als Staatssekretär und sein Abgeordnetenmandat für die Tories nieder.
Die Gegner eines britischen EU-Austritts ohne Abkommen bereiten sich offenbar auf eine gerichtliche Auseinandersetzung mit der Regierung vor. Das berichten BBC und Sky News unter Berufung auf Parlamentskreise.
Gesetz verpflichtet Regierung
Johnson schloss mehrfach aus, bei der EU eine erneute Verschiebung des Brexit-Datums zu beantragen. Bisher ist der 31. Oktober vorgesehen. Lieber wolle er «tot im Graben liegen», sagte er.
Das am Freitag verabschiedete Gesetz gegen den ungeregelten EU-Austritt sieht jedoch vor, dass die Regierung eine Verlängerung der Brexit-Frist beantragen muss, wenn bis zum 19. Oktober kein Abkommen ratifiziert ist.
Gegner des Premiers auf der Hut
Hellhörig wurden Johnsons Gegner, als er am Freitag Reportern sagte, das Gesetz sehe nur «theoretisch» eine Brexit-Verschiebung vor. Johnson hat versprochen, sein Land am 31. Oktober aus der EU zu führen, «komme, was wolle». Am Montag will er im Unterhaus über eine Neuwahl am 15. Oktober abstimmen lassen, um das Gesetz mit einer Parlamentsmehrheit rechtzeitig noch einmal zu ändern.
Doch die Opposition machte klar, dass sie das nicht zulassen wird. Für eine vorgezogene Wahl ist die Zustimmung von zwei Dritteln aller Abgeordneten notwendig.
Im Extremfall könnte Johnson in Haft landen
Spekuliert wird nun, die Regierung könne mangels Alternativen versuchen, das Gesetz einfach zu ignorieren oder ein Schlupfloch zu finden, um es zu umgehen.
Doch Experten warnten, Johnson könnte im Extremfall im Gefängnis landen, sollte er sich über das Gesetz stellen. «Er ist genauso an das Rechtsstaatsprinzip gebunden wie jeder andere in diesem Land», sagte Ex-Generalstaatsanwalt Dominic Grieve der BBC.