Die Proteste: In Spanien sind in den letzten Wochen in mehreren Städten insgesamt Hunderttausende Menschen auf die Strasse gegangen. In der Hauptstadt Madrid versammeln sich die Protestierenden an jedem Wochenende. Organisiert werden die Demonstrationen von der grössten Oppositionspartei, dem konservativen Partido Popular.
Der Streitpunkt: Die spanische Regierung unter dem Sozialisten Pedro Sánchez plant ein Amnestie-Gesetz. Das hat Sánchez' sozialistische Partei mit separatistischen Parteien aus Katalonien vereinbart. Insbesondere auch mit der Partei «Junts», deren Aushängeschild Carles Puigdemont ist.
Dieser führte vor sechs Jahren als Präsident Kataloniens eine illegale Abstimmung über die Unabhängigkeit der Region durch. Danach floh er nach Brüssel, um sich der Strafverfolgung in Spanien zu entziehen. Ihm und hunderten weiteren Beteiligten soll das Amnestie-Gesetz nun Straffreiheit garantieren.
Die Verhandlungen in Genf: Wie es mit dem Gesetz und der weiteren Zukunft Kataloniens weitergehen soll, das wollen die Sánchez sozialistische Partei und Puigdemonts Partei Junts in regelmässigen Treffen besprechen. Das erste fand in Genf statt – unter der Schirmherrschaft des Henry-Dunant-Zentrums für humanitären Dialog. Die Mediationsgespräche werden von einer neutralen Person geleitet – dafür bestimmt wurde der Salvadorianische Diplomat Francisco Galindo Vélez.
Die politische Polemik: Die spanische Opposition unter dem Partido Popular bekämpft die Amnestie grundsätzlich, weil sie den Grundsatz verletze, dass alle vor dem Gesetz gleich sind. Die Verhandlungen in Genf sind dem Parteichef und Oppositionsführer Alberto Núnez Feijóo ein Dorn im Auge. Dass ein ausländischer Diplomat im Ausland «über die Zukunft Spaniens bestimmt», sei «eine Erniedrigung», sagte Feijóo an einer der Demonstrationen.
Regierungschef Pedro Sánchez hält entgegen, die Amnestie werde dazu beitragen, das Zusammenleben in der katalanischen und spanischen Gesellschaft zu verbessern und den Katalonien-Konflikt beizulegen. Dass die Verhandlungen in Genf nicht öffentlich sind, sei nicht Geheimniskrämerei, sondern Diskretion. Um politische Ziele erreichen zu können, brauche es «Freiräume für Diskretion».
Wie weiter? Die Opposition hat bereits weitere Demonstrationen angekündigt. Derweil steht das Amnestie-Gesetz im spanischen Kongress auf der Traktandenliste von Mitte Dezember. Damit beginnt dort der politische Prozess. Höchstwahrscheinlich wird aber auch dies nicht der letzte Schritt sein – die Gegnerinnen und Gegner werden das Gesetz auch noch auf juristischem Weg bekämpfen.