Für die Führungsriege in der belarussischen Hauptstadt Minsk gibt es seit Anfang dieser Woche im benachbarten Baltikum nichts mehr zu holen. Die Regierungen der drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen haben gegen Staatschef Alexander Lukaschenko und 30 führende belarussische Politikerinnen und Politiker ein Einreiseverbot und Finanzsanktionen erhoben.
Gleichzeitig stärken die Balten ihre Unterstützung für die Demokratiebewegung in Belarus; politisch, logistisch und ökonomisch. Und damit nicht genug: Gegenwärtig laufen in den drei Hauptstädten Tallinn, Riga und Vilnius letzte Verhandlungen über einen gemeinsamen Stromboykott gegenüber Belarus. Konkret wollen die Balten es der belarussischen Regierung künftig verunmöglichen, Strom in die EU zu liefern.
Netzanschluss aus der Sowjetzeit
Dabei handelt es sich um günstige Elektrizität, die keine der in der EU üblichen Umweltauflagen erfüllt. Möglich war dies bislang durch den Umstand, dass das Baltikum seit gut zehn Jahren mit dem nordeuropäischen Stromnetz verbunden ist, gleichzeitig aber auch immer noch über einen Netzanschluss nach Osten aus der Zeit der Sowjetunion verfügt.
Dabei ist der Vorschlag eines Boykotts von Stromlieferungen aus Belarus schon viel älter als die jüngsten politischen Reaktionen auf die mutmasslich manipulierte Präsidentenwahl. Er hat mit dem Bau eines umstrittenen Atomkraftwerkes in Astrawez gleich hinter der litauisch-belarussischen Grenze zu tun.
Dieses AKW, dessen Sicherheitsvorschriften bislang nicht von internationalen Überwachungsbehörden geprüft werden konnten, soll nach dem Willen der Führung in Minsk bereits in wenigen Monaten ans Netz gehen und insbesondere Strom ins Baltikum liefern.
Litauen hat Sicherheitsbedenken
Während Litauen diesen Plänen seit Langem aus Sicherheitsgründen ablehnend gegenübersteht, sprachen sich Lettland und Estland noch vor wenigen Wochen für einen Stromimport aus Belarus aus. Die Entwicklungen der letzten Wochen und Tage haben aber auch dies geändert.
Für den belarussischen Langzeitherrscher Lukaschenko wird nicht nur die politische Luft im eigenen Land immer dünner. Unter seiner Führung dürfte nun auch aus den erhofften Gewinnen des Stromexports ins Baltikum nichts mehr werden.