Ästhetisch, langlebig, innovativ seien die Haushaltsgeräte der Firma «Atlant», heisst es in dem Werbeclip. «Atlant» mit Sitz in Minsk ist ein Unternehmen, das die weissrussische Wirtschaft als Ganzes gut charakterisiert: ein Industriebetrieb, staatlich kontrolliert und in finanziellen Schwierigkeiten.
«Die weissrussische Regierung hat sich über viele Jahre bemüht, vom sowjetischen Wirtschaftssystem möglichst viel zu erhalten», sagt der weissrussische Analytiker Vadim Moscheiko, der sich beim Thinktank Belarussian Institute for Strategic Studies mit ökonomischen Fragen auseinandersetzt.
Weissrussland produzierte weiter
Die strukturkonservative Strategie Lukaschenkos war nicht nur schlecht. In Nachbarländern wie Russland brach mit der Sowjetunion auch ein Grossteil der Industrie zusammen. Viele Menschen verarmten. Weissrussland dagegen produzierte weiter Kühlschränke, Traktoren oder Socken.
Nun aber kommt das System an seine Grenzen: «Der Staatssektor kann nicht mehr wachsen, weil er schlecht gemanagt und ineffizient ist», sagt Experte Moscheiko.
Tatsächlich ist die weissrussische Wirtschaft ein Jahrzehnt lang kaum vorangekommen. Ein Grund dafür ist, dass auch Russland, der mit Abstand wichtigste Handelspartner Weissrusslands, in einer Krise steckt. Aber es gibt auch andere Ursachen.
Lohnerhöhung vor den Wahlen
Moscheiko sagt: «Viele Entscheide in den Staatsunternehmen werden nicht aus wirtschaftlichen, sondern politischen Überlegungen getroffen.» So sind etwa die Gehälter im ersten Halbjahr 2020 um 13 Prozent gewachsen, die Produktivität der Unternehmen aber nur um 2 Prozent.
Mit anderen Worten: Staatschef Lukaschenko wollte sich die Zustimmung seiner Bürger mit Lohnerhöhungen kaufen, obwohl es ökonomisch keine Grundlage dafür gibt. Die Folge: der Staat und seine Unternehmen häufen Schulden an.
Der bekannte russische Wirtschaftswissenschaftler Sergej Guriev fasste die Lage kürzlich zusammen: «Das weissrussische Wirtschaftssystem ist in einer Sackgasse. Es bräuchte weiter Subventionen aus Russland, bekommt aber immer weniger davon.»
Die Hoffnungen ruhen auf privaten Investoren
Tatsächlich hat der Kreml bisher Lukaschenkos Systems querfinanziert, vor allem mit verbilligtem Öl und Gas. Doch Russland steckt selber in ökonomischen Schwierigkeiten und ist nicht mehr bereit, das Nachbarland ohne Weiteres zu stützen.
Allerdings gibt es durchaus auch positive Entwicklungen in der weissrussischen Wirtschaft. Der Minsker Experte Moscheiko sagt: «Die privaten Unternehmen sind gewachsen, da gab es auch ausländische Investitionen.»
Eine solche Erfolgsgeschichte ist die IT-Industrie. Gut ausgebildete Programmiererinnen und Programmierer haben aus Minsk ein Zentrum der Softwareentwicklung gemacht.
Populäre Spiele aus Belarus
So wurde etwa das in Osteuropa enorm populäre Computer-Kriegsspiel «World of Tanks» in Weissrussland entwickelt. Aber auch friedlichere Produkte wie «Viber», eine Kommunikationsapp fürs Handy, stammen aus Minsk.
Doch die politischen Unruhen seit der Präsidentschaftswahl gefährden diese Entwicklung. «Während der Demonstrationen hat die Staatsmacht zum Teil das Internet abgestellt. Das ist für IT-Unternehmen ein riesiges Problem», so Moscheiko.
Tatsächlich haben zahlreiche Software-Firmen angekündigt, dass sie ganz oder zum Teil aus Weissrussland wegziehen wollen.