Worum geht es? Seit rund drei Wochen sind Teile der kanadischen Hauptstadt Ottawa von Lastwagen blockiert. Der selbsternannte «Freiheitskonvoi» hatte sich als Protest gegen eine Impfpflicht für Trucker formiert, wurde aber rasch zu einem lärmigen Protest gegen alle Covid-Massnahmen und gegen die Regierung von Justin Trudeau.
Wer steht hinter dem Konvoi? Die prominentesten Organisatoren sind keine Trucker. Die sichtbarste Figur ist Tamara Lich, eine Fitnesstrainerin aus der Provinz Alberta. Vor dem Protest setzte sie sich für eine rechte Partei ein, die die Abspaltung des Westens von Kanada zum Ziel hat.
Natürlich seien echte Trucker mit ihren Anliegen ein Teil des Protests, sagt Barbara Perry, Expertin für rechten Extremismus an der Ontario Tech University. Die Organisatoren, die dabei den Ton angeben, hätten aber Verbindungen zu Gruppen am rechten Rand. Es sei absehbar gewesen, dass der Protest Rechtsextreme, Staatsgegner oder Verschwörungstheoretiker anziehen würde.
Welche Ziele hat der Protest? Am Anfang richtete er sich gegen eine Impfpflicht für kanadische Trucker, die die US-Grenze überqueren. Als sich die langen Lastwagenkolonnen auf die Hauptstadt zubewegten und Ottawa Ende Januar erreichten, wurde der Protest aber rasch zu mehr: Er richtete sich nun gegen alle Covid-Massnahmen und gegen die Regierung von Justin Trudeau ganz generell, der vorgeworfen wird, eine Covid-Diktatur zu sein.
Kanadas rechte Szene sei gut mit den Gesinnungsgenossen in den USA verbunden und werde von ihr beeinflusst, so Perry. Tatsächlich erinnern die Bilder aus Ottawa eher an Bilder aus den USA. Dass vereinzelt Trump- und Konföderierten-Flaggen zu sehen sind, verdeutlicht das.
Woher kommt die finanzielle Unterstützung? Die Organisatoren sammelten Spenden über Crowdfunding-Plattformen. So kamen innert Kürze Millionen zusammen. Mittlerweile haben sich die Hinweise verdichtet, dass ein grosser Teil aus den USA gespendet wurde. «Wir kennen Crowdfunding-Kampagnen und wissen, wie sie funktionieren», sagt Ciarán O'Connor vom Institute for Strategic Dialogue. Aber dieses Ausmass sei beispiellos.
Wie wurden die Proteste im Ausland aufgenommen? Extreme Gruppen in den USA zeigten von Anfang an Interesse an den Protesten. In den einschlägigen Chats auf sozialen Netzwerken seien sie allgegenwärtig, sagt Jared Holt, der bei der US-Denkfabrik Atlantic Council Extremismus im Netz beobachtet. Wie die Proteste Teile Kanadas lahmlegten, werde dort bewundert. Und auch prominente rechte Kommentatoren sprangen auf: Die Trucker-Proteste wurden etwa vom mächtigen konservativen Sender Fox News lobend aufgegriffen.
Dass die Plattform Gofundme den Geldhahn für die Proteste zudrehte, erhöhte die Aufmerksamkeit noch. Sogar Ex-Präsident Donald Trump lobte die Trucker. Über Plattformen wie Telegram bildeten sich rasch Gruppen, die auch im Ausland solche Konvois planten, auch in Europa. Diese entfalteten aber nicht die Wirkung wie in Kanada.
Wie will die Regierung die Proteste beenden? Die wirtschaftlich sehr wichtige Ambassador-Brücke in die USA konnte zwar inzwischen geräumt werden. Ottawa wird aber immer noch von Truckern besetzt. Dass die Stadt und dann die Provinz den Notstand ausriefen, hat daran nichts geändert. Trudeau bezeichnete die Protestierenden als kleine Randgruppe und weigerte sich, mit ihnen zu sprechen. Diese Woche aktivierte er ein Notstandsgesetz. Es soll die Geldquellen der Trucker zum Versiegen bringen und gibt der Polizei mehr Mittel, um einzugreifen.