Die Opposition hat in der serbischen Hauptstadt Belgrad auch am Weihnachtstag wieder gegen den mutmasslichen Betrug bei der vor einer Woche abgehaltenen Parlaments- und Kommunalwahlen demonstriert. Die Proteste halten seit einer Woche an. Eine internationale Beobachtermission und verschiedene Medien hatten über zahlreiche Unregelmässigkeiten am Wahltag berichtet. Darunter Fälle von Gewalt, Stimmenkauf und das Füllen von Wahlurnen mit gefälschten Stimmzetteln.
Die serbische Fortschrittspartei (SNS) von Präsident Aleksandar Vucic errang in vielen Städten Wahlsiege, in Belgrad jedoch fiel ihr Erfolg am 17. Dezember knapp aus. Nach Darstellung der Opposition war der Sieg in Belgrad nur durch massiven Betrug zustande gekommen. Die Opposition behauptet, im Vorfeld der Wahl seien rund 40'000 Personalausweise ausgestellt worden an Menschen, die nicht in Belgrad wohnhaft seien – namentlich an Serbisch-stämmige aus Bosnien und Herzegowina. Zudem seien Oppositionelle aus den Wahlregistern gestrichen worden.
Rechtspopulist als möglicher Königsmacher
Die serbische Regierung bestreitet die Vorwürfe der Wahlmanipulation und sagt, die Wahlen seien abgesehen von einzelnen kleinen Unregelmässigkeiten korrekt abgelaufen. Die zuständige Wahlkommission kündigte am Mittwoch an, in 30 Wahllokalen – vor allem auf dem Land – solle der Urnengang am 30. Dezember wiederholt werden. In diesen Wahllokalen hätten keine Ergebnisse ermittelt werden können.
Nichtsdestotrotz: Die Fortschrittspartei SNS von Präsident Vucic ist laut den vorläufigen Resultaten auch in Belgrad stimmenstärkste Kraft. Allerdings fehlen ihr wahrscheinlich Partner, um in der Stadtversammlung den nächsten Bürgermeister zu bestimmen.
Königsmacher in Belgrad könnte nun die Liste des Rechtspopulisten Branimir Nestorovic sein, die mit fünf Prozent der Stimmen überraschend den Einzug in das Landesparlament schaffte. Nestorovic schloss bisher aus, mit einem der beiden Parteienbündnisse zu koalieren. Es ist also noch offen, ob die Regierungspartei Belgrad tatsächlich regieren wird.
Untersuchung wegen Wahlbetrugs läuft
Die Staatsanwaltschaft hat die Polizei zwar ersucht, Hinweisen auf möglichen Wahlbetrug in nachzugehen. Aufgrund der von den Polizisten gesammelten Erkenntnisse soll dann festgestellt werden, ob genügend Anhaltspunkte für die Einleitung von Ermittlungen vorlägen.
Doch Ministerpräsidentin Ana Brnabic hatte die Vorwürfe schon am Wahlabend als «Lügen» bezeichnet. Und der fast allmächtige Präsident Alexandar Vucic spricht jetzt angesichts der Demonstrationen von einer «Einmischung aus dem Ausland».
Das alles und der schlechte Zustand des serbischen Rechtsstaates deuten darauf hin, dass es für die Opposition sehr schwer werden dürfte, diesen Kampf um Wahlwiederholung in Belgrad zu gewinnen. Falls sich «Königsmacher» Branimir Nestorovic weder für das eine noch für das andere Lager entscheidet, könnte es indes schon bald zu Neuwahlen um die Macht in der Hauptstadt Belgrad kommen.