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Proteste nach Wahl Georgiens Präsidentin fordert Neuwahl des Parlaments

Die Proteste gegen die prorussische Regierung gehen weiter. Präsidentin Surabischwili fordert nun Neuwahlen.

Georgiens proeuropäisch gesinnte Präsidentin Salome Surabischwili hat angesichts der Massenproteste im Land eine Neuwahl des Parlaments gefordert. Nach den Vorwürfen der Wahlfälschung und der Abwendung der Regierung vom Kurs in Richtung EU müsse der Weg zu einer neuen Abstimmung gefunden werden.

«Wir haben nur eine Forderung, die auf der Verfassung beruht, nachdem die Wahlen gefälscht wurden», sagte sie bei einem Treffen mit Vertretern der Opposition. «Der einzige Weg zu Stabilität führt über Neuwahlen, einen anderen Weg gibt es nicht.»

Erneut gehen Tausende auf die Strasse

Surabischwili warf zugleich dem Verfassungsgericht der Kaukasusrepublik vor, noch nicht einmal ein Datum zur Prüfung des von ihr eingereichten Vorwurfs der Wahlfälschung festgelegt zu haben. In der Hauptstadt Tiflis und in einer Reihe von anderen Städten Georgiens kamen am Sonntagabend erneut Tausende Menschen zusammen, um ihre Proteste gegen die Regierung fortzusetzen.

Menschen auf der Strasse halten georgische Flaggen bei Nacht.
Legende: Anhänger der georgischen Opposition nehmen an einem Protest gegen die Ergebnisse der Parlamentswahlen in Tiflis teil. (1.12.24) IMAGO / SNA / Mikhail Voskresenskiy

In Tiflis zog die Polizei erneut starke Kräfte für einen möglichen Einsatz gegen die Demonstranten zusammen. Nach einem Bericht der Agentur Interpressnews setzte die Polizei bereits sporadisch Wasserwerfer ein, um die Demonstranten vom Parlamentsgebäude zurückzudrängen.

In Tiflis war es zuvor in der dritten Nacht in Folge zu gewaltsamen Zusammenstössen zwischen Polizei und regierungskritischen Demonstranten gekommen. Nach Berichten georgischer Medien setzten die Beamten Wasserwerfer und Tränengas ein, die Demonstranten beschossen die Polizei mit Feuerwerkskörpern.

Umstrittene Parlamentssitzungen

In Georgien war zuletzt eine Debatte über die Rechtmässigkeit der Parlamentssitzungen seit der Neuwahl entbrannt. Nach der von Fälschungsvorwürfen überschatteten Parlamentswahl Ende Oktober waren bislang nur Vertreter der bisherigen prorussischen Regierungspartei «Georgischer Traum» im Parlament zusammengekommen, die Opposition betrat das Gebäude nicht.

Menschenmenge, Person im Vordergrund mit schwarzer Jacke.
Legende: Salome Surabischwili bei den Protesten, nachdem Premierminister erklärt hatte, das Land werde die Gespräche über seinen EU-Beitritt bis 2028 aussetzen. IMAGO / ITAR-TASS/ Sipa USA (28.11.2024)

Nach Ansicht einer Reihe von Juristen in Georgien darf die Volksvertretung nicht tagen, solange das Verfassungsgericht nicht über eine Wahlbeschwerde von Surabischwili entschieden hat.  Surabischwili hatte die erste Sitzung vom Montag ebenfalls verfassungswidrig genannt. Als Präsidentin müsse sie die erste Parlamentssitzung einberufen, das könne niemand stellvertretend übernehmen.

EU schickt ein Zeichen – und erwägt Sanktionen

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EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hält Georgien trotz der Abkehr der dortigen Regierung vom Kurs in Richtung Europa die Tür zur Europäischen Union offen. In einer Mitteilung auf der Plattform X bedauerte sie die Entscheidung der Regierung gegen die EU und ihre Werte.

Doch die EU stehe an der Seite der Georgier und deren Entscheidung für eine europäische Zukunft, schrieb sie mit Blick auf die tagelangen Massenproteste gegen den prorussischen Kurs der Regierung. «Die Tür zur EU bleibt offen», betonte von der Leyen. «Die Rückkehr Georgiens auf den Weg zur EU liegt in den Händen der georgischen Führung.»

Nach Angaben der neuen EU-Aussenbeauftragten Kaja Kallas könnte die EU Sanktionen wegen der jüngsten Entwicklungen in Georgien verhängen. Es sei eindeutig, dass Gewalt gegen friedliche Demonstranten inakzeptabel sei und die georgische Regierung den Willen des georgischen Volkes sowie die georgische Verfassung respektieren sollte, sagte Kallas.

Man werde gemeinsam mit den Mitgliedstaaten mögliche Konsequenzen erörtern. Als konkrete Beispiele nannte Kallas Sanktionen, aber auch Einschränkungen bei der Visavergabe.

Präsident erstmals nicht direkt von Volk gewählt

Surabischwilis Amtszeit endet laut Parlamentspräsident Schalwa Papuaschwili am 16. Dezember.  Laut einem Entschliessungsentwurf, den das Parlament diese Woche verabschiedet hatte, soll die Präsidentenwahl am 14. Dezember und die Amtseinführung am 29. Dezember stattfinden.

Erstmals wird der Präsident oder die Präsidentin nicht direkt vom Volk, sondern indirekt durch Abgeordnete des Parlaments und regionale Vertreter gewählt. Surabischwili und die prowestliche Opposition erkennen das offizielle Ergebnis der Parlamentswahl am 26. Oktober nicht an. Die Wahlkommission hatte die Regierungspartei «Georgischer Traum» mit rund 54 Prozent der Stimmen zur Siegerin erklärt. Die Opposition kündigte nach der Wahl an, ihre Mandate nicht annehmen zu wollen.

USA setzen strategische Partnerschaft mit Georgien aus

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Als Reaktion auf die politischen Entwicklungen in Georgien setzen die USA ihre strategische Partnerschaft mit der Südkaukasusrepublik vorübergehend aus. Die Entscheidung der prorussischen Regierungspartei Georgischer Traum, den EU-Beitrittsprozess auszusetzen, sei ein «Verrat an der georgischen Verfassung», teilte der Sprecher des US-Aussenministeriums, Matthew Miller, auf der Online-Plattform X mit. Man verurteile auch «den übermässigen Einsatz von Gewalt gegen Georgier, die ihr Recht auf Protest wahrnehmen», hiess es weiter.

Die georgische Bevölkerung unterstütze mit «überwältigender Mehrheit die europäische Integration», teilte das Aussenministerium in Washington auf seiner Webseite mit. In der georgischen Verfassung sei das Versprechen verankert, «eine vollständige Integration in die Europäische Union und die Nato anzustreben». Die prorussische Partei Georgischer Traum verhalte sich «antidemokratisch» und verstosse gegen grundlegende Werte einer Zusammenarbeit wie Verpflichtungen in Bezug auf Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Achtung der Menschenrechte.

Tagesschau, 30.11.2024, 19:30 Uhr ; 

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