Georgiens proeuropäisch gesinnte Präsidentin Salome Surabischwili hat angesichts der Massenproteste im Land eine Neuwahl des Parlaments gefordert. Nach den Vorwürfen der Wahlfälschung und der Abwendung der Regierung vom Kurs in Richtung EU müsse der Weg zu einer neuen Abstimmung gefunden werden.
«Wir haben nur eine Forderung, die auf der Verfassung beruht, nachdem die Wahlen gefälscht wurden», sagte sie bei einem Treffen mit Vertretern der Opposition. «Der einzige Weg zu Stabilität führt über Neuwahlen, einen anderen Weg gibt es nicht.»
Erneut gehen Tausende auf die Strasse
Surabischwili warf zugleich dem Verfassungsgericht der Kaukasusrepublik vor, noch nicht einmal ein Datum zur Prüfung des von ihr eingereichten Vorwurfs der Wahlfälschung festgelegt zu haben. In der Hauptstadt Tiflis und in einer Reihe von anderen Städten Georgiens kamen am Sonntagabend erneut Tausende Menschen zusammen, um ihre Proteste gegen die Regierung fortzusetzen.
In Tiflis zog die Polizei erneut starke Kräfte für einen möglichen Einsatz gegen die Demonstranten zusammen. Nach einem Bericht der Agentur Interpressnews setzte die Polizei bereits sporadisch Wasserwerfer ein, um die Demonstranten vom Parlamentsgebäude zurückzudrängen.
In Tiflis war es zuvor in der dritten Nacht in Folge zu gewaltsamen Zusammenstössen zwischen Polizei und regierungskritischen Demonstranten gekommen. Nach Berichten georgischer Medien setzten die Beamten Wasserwerfer und Tränengas ein, die Demonstranten beschossen die Polizei mit Feuerwerkskörpern.
Umstrittene Parlamentssitzungen
In Georgien war zuletzt eine Debatte über die Rechtmässigkeit der Parlamentssitzungen seit der Neuwahl entbrannt. Nach der von Fälschungsvorwürfen überschatteten Parlamentswahl Ende Oktober waren bislang nur Vertreter der bisherigen prorussischen Regierungspartei «Georgischer Traum» im Parlament zusammengekommen, die Opposition betrat das Gebäude nicht.
Nach Ansicht einer Reihe von Juristen in Georgien darf die Volksvertretung nicht tagen, solange das Verfassungsgericht nicht über eine Wahlbeschwerde von Surabischwili entschieden hat. Surabischwili hatte die erste Sitzung vom Montag ebenfalls verfassungswidrig genannt. Als Präsidentin müsse sie die erste Parlamentssitzung einberufen, das könne niemand stellvertretend übernehmen.
Präsident erstmals nicht direkt von Volk gewählt
Surabischwilis Amtszeit endet laut Parlamentspräsident Schalwa Papuaschwili am 16. Dezember. Laut einem Entschliessungsentwurf, den das Parlament diese Woche verabschiedet hatte, soll die Präsidentenwahl am 14. Dezember und die Amtseinführung am 29. Dezember stattfinden.
Erstmals wird der Präsident oder die Präsidentin nicht direkt vom Volk, sondern indirekt durch Abgeordnete des Parlaments und regionale Vertreter gewählt. Surabischwili und die prowestliche Opposition erkennen das offizielle Ergebnis der Parlamentswahl am 26. Oktober nicht an. Die Wahlkommission hatte die Regierungspartei «Georgischer Traum» mit rund 54 Prozent der Stimmen zur Siegerin erklärt. Die Opposition kündigte nach der Wahl an, ihre Mandate nicht annehmen zu wollen.