- In Georgien sind Tausende Menschen dem Aufruf zu Protesten gegen das offizielle Ergebnis der Parlamentswahl vom Samstag gefolgt.
- Sie versammelten sich bereits am Montagnachmittag vor dem Parlamentsgebäude in der Hauptstadt Tiflis.
- Präsidentin Salome Surabischwili hat zu der Kundgebung aufgerufen. Sie wirft der Regierungspartei Georgischer Traum Manipulation der Wahl vor.
Nach Angaben von Behörden hat der Georgische Traum die Wahl mit knapp 54 Prozent klar gewonnen. Surabischwili und unabhängige Nachwahlbefragungen sehen dagegen den Georgischen Traum bei rund 40 Prozent. Die Kundgebung verlief zunächst friedlich.
«Ich möchte euch sagen, dass nicht ihr die Wahl verloren habt. Eure Stimme wurde gestohlen, und sie haben versucht, eure Zukunft zu stehlen», sagte die proeuropäische Präsidentin Surabischwili, die der Opposition nahesteht. «Aber niemand hat das Recht dazu, und ihr werdet nicht zulassen, dass jemand das tut.»
Für eine Wiederholung der Abstimmung sei die Unterstützung des westlichen Auslands notwendig, forderte Präsidentin Surabischwili. Sie vermutet hinter den Manipulationen russische Einflussnahme. Der Betrug sei sehr gut und weit im Voraus geplant, sehr ausgeklügelt und allumfassend gewesen, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur in Tiflis. «So etwas haben wir in diesem Land noch nicht erlebt.»
Belarussische Zustände befürchtet
Georgiens Parlamentschef Schalwa Papuaschwili warf Surabischwili vor, mit ihren Manipulationsvorwürfen das Land zu spalten. Er wies vor Medienschaffenden Vorwürfe der Manipulation der Parlamentswahl zurück. Er kritisierte auch das US-Wahlforschungsinstitut Edison Research, das am Samstag einen Sieg der prowestlichen Opposition über alle Blöcke hinweg prognostiziert hatte. Der Politiker der Regierungspartei zweifelte die Angaben an.
Auch Edison Research hatte die Regierungspartei zwar als stärkste politische Kraft gesehen – allerdings nur bei knapp über 40 Prozent und nicht bei rund 54 Prozent der Stimmen, wie am Ende die Wahlleitung. Solche Differenzen sind ungewöhnlich.
Ministerpräsident Irakli Kobachidse versuchte Befürchtungen zu entkräften, es gebe eine Abkehr vom EU-Kurs. Georgien wolle sich bis 2030 voll in die Europäische Union integrieren, sagte er bei einer Regierungssitzung. Er rechne für das kommende Jahr mit einem Neubeginn im derzeit schwierigen Verhältnis zur EU.
Der Georgische Traum strebt eine engere Anbindung an Russland an, während die Opposition Georgien zum Mitglied der Europäischen Union machen möchte. Beobachterinnen und Beobachter fürchten nun eine ähnliche Entwicklung wie in Belarus. Dort hatte der prorussische Präsident Alexander Lukaschenko nach Behördenangaben 2020 die Präsidentenwahl gewonnen, deren Ergebnis nach Angaben der belarussischen proeuropäischen Opposition und europäischer Beobachter gefälscht wurde. Es folgten monatelange Massenproteste, die mit massivem Einsatz von Sicherheitskräften erstickt wurden. Führende Oppositionelle wurden entweder inhaftiert oder flohen ins Ausland.