- Georgiens Präsidentin Salome Surabischwili hat die Parlamentswahl in ihrem Land als «durchgehend gefälscht» bezeichnet.
- Sie erkenne das Ergebnis nicht an, sagte sie in Tiflis und rief für Montag zu Protesten auf.
- Die Wahlkommission hatte zuvor die Regierungspartei zur Siegerin erklärt.
- Die EU und die USA fordern eine Untersuchung der Vorwürfe von Unregelmässigkeiten bei der Wahl.
Georgien sei Opfer einer russischen «Spezialoperation», so Surabischwili. Sie rief die Georgierinnen und Georgier dazu auf, Montagabend in der Hauptstadt Tiflis gegen das Ergebnis zu protestieren.
EU-Ratspräsident Charles Michel seinerseits forderte eine Aufklärung der Vorwürfe über Unregelmässigkeiten. Er werde die künftigen Beziehungen zu der Ex-Sowjetrepublik im Südkaukasus auch auf die Tagesordnung des nächsten Europäischen Rates in Budapest setzen, schrieb Michel auf X.
US-Aussenminister Antony Blinken schloss sich den Forderungen der EU und «internationaler und lokaler Beobachter nach einer umfassenden Untersuchung aller Berichte über Verstösse im Zusammenhang mit den Wahlen an», wie es in einer Mitteilung hiess.
OSZE meldet Unregelmässigkeiten
Die Beobachtungsmission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hatte sich zuvor besorgt über zahlreiche Unregelmässigkeiten gezeigt. Sie beklagte in einer Mitteilung unter anderem Fälle von Einschüchterung der Wählenden, Druck auf Behörden, Gewalt gegen Beobachtende, Stimmenkauf sowie Mehrfachabstimmungen.
Zudem forderte sie eine Untersuchung der Fälle und mahnte weitere demokratische Reformen an. Zugleich lobte Missionschef Pascal Allizard die «demokratische Vitalität» in der Südkaukasusrepublik – trotz einzelner Rückschritte.
Opposition spricht von Wahlbetrug
Die nationalkonservative Partei «Georgischer Traum» des Milliardärs Bidsina Iwanischwili kam nach Auszählung fast aller Wahlzettel auf 54.09 Prozent der Stimmen, wie Wahlleiter Giorgi Kalandarischwili in der Hauptstadt Tiflis mitteilte.
Nach Auszählung der Stimmen aus 99.6 Prozent der Wahlbezirke fehlten noch einige aus dem Ausland, sagte der Wahlleiter. Das vorläufige amtliche Endergebnis stehe deshalb noch aus.
Mehrere proeuropäische Oppositionsbündnisse erkennen das vorläufige Ergebnis nicht an und haben Proteste angekündigt. Die Opposition spricht von Wahlbetrug und beansprucht den Wahlsieg für sich.
EU-Beitrittsgesuch Georgiens liegt auf Eis
Der georgische Regierungschef Irakli Kobachidse wies Vorwürfe einer Wahlfälschung zurück. Jede Anschuldigung, dass die Wahl manipuliert worden sei, sei zum Scheitern verurteilt, sagte Kobachidse.
«Unser Sieg ist offensichtlich», sagte er. Sollte die prowestliche Präsidentin Salome Surabischwili ein Zusammentreten des Parlaments innerhalb der nächsten zehn Tage sabotieren, sei das ein neuer Verstoss gegen die Verfassung, so Kobachidse.
Die Wahl galt als Richtungswahl für Georgien. Die Opposition wollte das Land in Richtung EU bringen, die Regierungspartei hingegen steht für eine enge Zusammenarbeit mit Russland.
Insgesamt waren rund 3.5 Millionen Georgierinnen und Georgier im In- und Ausland zur Stimmabgabe aufgerufen. Die Wahlbeteiligung lag nach vorläufigen Angaben bei rund 59 Prozent – drei Prozentpunkte höher als noch 2020.
Das Land am Schwarzen Meer hat 3.7 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner und ist seit Ende 2023 EU-Beitrittskandidat. Der Beitrittsprozess liegt aber wegen umstrittener Gesetze auf Eis.