Auf einem ehemaligen Flugplatz in der Region Megrelien im Westen Georgiens laufen die Vorbereitungen für einen Grossanlass. Reihe um Reihe werden die Stühle aufgestellt, Bildschirme und Mikrofone werden getestet.
Für die Wahlveranstaltung des oppositionellen Bündnisses «Koalition für Wandel» werden bis zu 8000 Anhängerinnen und Anhänger erwartet.
Es geht um die Zukunft Georgiens
Für die örtliche Aktivistin Tiko Lagwilawa ist es der Höhepunkt eines Wahlkampfs, der die Zukunft des Landes entscheiden werde. «Es geht darum, ob wir ein europäisches Land oder ob wir einfach ein Hinterhof Russlands sein wollen.»
Georgien müsse den europäischen Weg wählen, sagt die 20-jährige Frau. Nur so seien Freiheit und Menschenrechte garantiert.
Wie russlandfreundlich ist die Regierung?
Die Angst, dass die Regierung Georgien in die Arme Russlands treiben wolle, hat die Opposition zu ihrem Kernthema gemacht. Das vermag aber nicht alle zu überzeugen.
Eindrücke aus Megrelien und von der Wahlveranstaltung
Denn es ist komplizierter: Die Regierungspartei ist vor allem von ihrem Machtanspruch motiviert. Bis heute fehlen Belege dafür, dass sie sich willentlich zum Instrument Russlands machen lässt – auch wenn sie ein immer freundlicheres Verhältnis zum Kreml pflegt.
In ärmeren, ländlichen Regionen wie Megrelien beschäftigen die Leute alltägliche Themen viel mehr als grosse geopolitische Fragen. «Wir müssen den Menschen auch aufzeigen, dass die Innenpolitik der Regierung nichts gebracht hat», sagt deshalb die langjährige lokale Aktivistin Schuschana Matsaberidse.
Sie meint damit die Arbeitslosigkeit, die massenhafte Auswanderung oder die schrumpfenden Einnahmen der vielen Haselnussplantagen in Megrelien.
Regierung betreibt Angstmacherei
Tatsächlich hat die Regierungspartei in zwölf Jahren an der Macht wenig getan, um das Leben der Menschen in Regionen wie Megrelien zu verbessern.
Sie greift im Wahlkampf also zu kruder Angstmacherei: Die Opposition, behauptet sie, wolle einen Krieg mit Russland lancieren. «Keiner von uns will einen Krieg», sagt Tiko Lagwilawa. In Megrelien lebten viele Menschen, die vor Krieg geflüchtet seien.
Die Region grenzt an das abtrünnige Gebiet Abchasien, aus dem in den 1990er-Jahren viele Georgier vertrieben wurden. «Viele meiner Parteigenossinnen haben im Krieg ihr Zuhause verloren», so Tiko Lagwilawa.
Notorisch zerstrittene Opposition
Die Opposition hat auch ein selbstverschuldetes Imageproblem: Die letzte Regierung der proeuropäischen Liberalen endete mit Skandalen um Machtmissbrauch. Damit rechtfertigt die aktuelle Regierung das nach einem Wahlsieg geplante Verbot aller Oppositionsparteien.
«Die Leute haben Angst, dass eine neue Regierung einfach genau dasselbe tut, wie alle anderen zuvor», sagt der 16-jährige Mirian Chobulawa. Doch junge Menschen wie er seien die neuen Gesichter der Opposition, die die alten, korrupten Figuren ersetzten.
Die wichtigste Stärke der Opposition ist ihre Einheit. Die georgischen Liberalen sind notorisch streitsüchtig und zersplittert, doch diesmal haben sie sich zusammenraufen können.
Umfragen zeigen, dass die vereinte Opposition eine Chance hat, eine Mehrheit im Parlament zu erreichen. Die Zuversicht der Aktivistinnen ist also mehr als nur Zweckoptimismus.