Darum geht es: Das Parlament der Südkaukasusrepublik Georgien hat die Rechte von Homosexuellen und anderen sexuellen Minderheiten dramatisch eingeschränkt. Das neue Gesetz verbietet unter anderem gleichgeschlechtliche Ehen und Geschlechtsangleichungen. Zudem dürfen gleichgeschlechtliche Paare keine Kinder adoptieren. Vor allem wird aber auch die sogenannte Propaganda für nicht-traditionelle Beziehungen unter Strafe gestellt – dafür drohen bis zu zwei Jahre Gefängnis. Die Opposition boykottierte die Abstimmung.
Schwierige Lage: Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transpersonen und queere Menschen (LGBTQ+) hatten im sehr konservativen Georgien schon bisher einen sehr schweren Stand. Das Land ist tief religiös geprägt von der Christlich-Orthodoxen Kirche. Obwohl es in der Hauptstadt Tiflis eine queere Szene gebe, sei es schon seit Jahren gefährlich, sich in der Öffentlichkeit dazu zu bekennen, sagt SRF-Russland-Korrespondent Calum MacKenzie. «Auch kleine Pride-Märsche wurden wiederholt von Rechtsextremen und sogar Priestern tätlich angegriffen.»
Vorbild Russland: Das neue Gesetz in Georgien ähnelt stark einem russischen Vorbild. Auch dort wurden die Rechte der LGBTQ+-Gemeinde stark eingeschränkt – und das schon vor Jahren. Wie schon das kürzlich trotz massiver Strassenproteste eingeführte Gesetz «Gegen ausländische Agenten» in Georgien sei auch das neue Gesetz sicherlich vom russischen Vorbild inspiriert worden, so MacKenzie.
Georgiens Regierung fährt einen ausgeprägt autoritären Kurs – und entfernt sich damit immer mehr von Europa.
Unklare Zukunft: 2023 hatte die EU Georgien den Status eines EU-Beitrittskandidaten verliehen. Doch nach Einführung des Agenten-Gesetzes im vergangenen Mai verschlechterten sich die Beziehungen zu Brüssel. «Georgiens Regierung fährt seit rund zwei Jahren einen ausgeprägt autoritären Kurs – und entfernt sich damit immer mehr von Europa», stellt der Korrespondent fest. Offensichtlich wolle die Regierung gewisse demokratische Normen, die für eine Annäherung an die EU nötig seien, nicht einhalten. «Und so bewegt sich Georgien zwangsläufig in die Einflusssphäre Moskaus.»
Das will die Bevölkerung: Ein sehr grosser Teil der Georgierinnen und Georgier möchte im Grunde eine Annäherung an Westeuropa und an die EU. Doch die verschiedenen Gruppen an EU-Unterstützern im Land sähen diese Annäherung sehr unterschiedlich: Während junge, gebildete Menschen sich mit den liberalen Werten der EU durchaus identifizierten, sähen andere Gruppen gerade die Förderung der LGBTQ+-Rechte in der EU skeptisch. «Diese Menschen erhoffen sich von der EU vor allem Investitionen und Hilfe beim Aufbau kompetenter und verlässlicher Institutionen», sagt MacKenzie.
Die Regierung versucht, mit dem populistischen Kurs konservative Wähler anzusprechen, welche gewisse Aspekte der EU skeptisch betrachten.
Bald Wahlen: Ende Oktober wird in Georgien ein neues Parlament gewählt. Der seit 2012 regierende «Georgische Traum» strebt unter Führung des Milliardärs und Parteigründers Bidsina Iwanischwili eine verfassungsändernde Mehrheit an. «Die Regierung versucht mit dem populistischen LGBTQ+-Gesetz jetzt offensichtlich, jene konservativen Wählerinnen und Wähler anzusprechen, welche gewisse Aspekte der EU skeptisch betrachten», sagt der Korrespondent. Mit ihrem autoritären Kurs gebe die georgische Regierung die EU-Perspektive nun offensichtlich ganz auf.