Die Regierungspartei in der Südkaukasusrepublik Georgien will ein 2023 gescheitertes Gesetz doch noch durchsetzen. Das Gesetz nach russischem Vorbild soll den ausländischen Einfluss auf die Zivilgesellschaft eindämmen.
Die Partei Georgischer Traum habe den Entwurf wieder auf die Tagesordnung des Parlaments gesetzt, sagte Fraktionschef Mamuka Mdinaradse am Mittwoch in Tiflis. Alle Nichtregierungsorganisationen, die zu mehr als 20 Prozent aus dem Ausland finanziert werden, müssen sich als Vertreter fremder Mächte registrieren lassen.
In Kirgistan hat der Präsident letzte Woche ein ähnliches Gesetz verabschiedet. Dort hat die Regierung nun auch die Macht, nicht gesetzeskonforme Organisationen aufzulösen.
Mdinaradse unterstellte am Mittwoch, dass die Nichtregierungsorganisationen mit fremder Hilfe vor allem Projekte förderten, die der Opposition nützen. Sie verbreiteten «pseudoliberale Ideologien», betrieben LGBT-Propaganda, machten Front gegen die orthodoxe Kirche in Georgien, sagte er Medienberichten zufolge.
Vorbild Russland?
In Russland gibt es ein ähnliches Gesetz. Es wird dazu genutzt, um zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure weitgehend zum Schweigen zu bringen. Seit der Einführung 2010 wurde es laufend verschärft.
«Zuerst waren nur NGOs betroffen, dann Medien oder einzelne Personen. Später konnte jemand auch als ‹ausländischer Agent› bezeichnet werden, nur weil er oder sie sich öffentlich zu einem bestimmten Thema geäussert hatte», erklärt Calum MacKenzie. Der SRF-Korrespondent befindet sich in Tiflis.
Die Gesetze in Georgien und Kirgistan sind zwar nicht so umfassend wie in Russland. Dennoch lösen sie in beiden Ländern Unbehagen aus. Denn sowohl in Georgien als auch in Kirgistan haben die Regierungen Schritte unternommen, um die Demokratie auszuhöhlen und Kritiker zu unterdrücken.
Unabhängige Medien und NGOs sind sehr häufig auf Spenden und Gelder aus dem Ausland angewiesen. «Wenn ein Regime sie zu ‹ausländischen Agenten› deklariert, kann es gegen aussen argumentieren, es gehe bloss darum, Transparenz zu schaffen. Es geht aber darum, missliebige Organisationen und Personen einzuschränken und zu delegitimieren», erklärt MacKenzie.
In Georgien zum Beispiel sollen unabhängige Medien mit dem neuen Gesetz von sich aus angeben, dass sie «die Interessen einer fremden Macht vertreten». Für ein regierungskritisches Medium, das es ohnehin schon schwer hat, ist ein solcher Stempel hochproblematisch.
Für Russland sind die Pläne von Vorteil. Denn mit dem neuen Gesetz entfernt sich Georgien vom pro-westlichen Kurs, den eine grosse Mehrheit der Bevölkerung eigentlich befürwortet. Deswegen wirft die Opposition der Regierung vor, pro-russisch zu sein.
«In Wahrheit sind die Regierungen in Georgien und Kirgistan aber weniger pro-russisch als einfach pro-Machterhalt und pro-Selbstbereicherung. Sie sind in erster Linie daran interessiert, die Wahlen mit jedem noch so unlauteren Mittel zu gewinnen. In Russland hat Putin verschiedenste Strategien entwickelt, um an der Macht zu bleiben. Die werden von anderen Autokraten kopiert», sagt Korrespondent MacKenzie. Viele Regierungen sehen Russland also nicht aus ideologischen, sondern aus ganz pragmatischen Gründen als Vorbild.