Nordkorea lässt die Muskeln spielen: Zum 75. Gründungstag seiner Streitkräfte hat das Regime an einer Militärparade sein Atomwaffenarsenal präsentiert. Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass Nordkorea so viele Interkontinentalraketen vorgeführt hat wie nie zuvor.
Gemäss dem Nordkorea-Kenner Ankit Panda reichen die Interkontinentalraketen aus, um die Verteidigungssystem der USA zu überwinden.
Das Land setzt offenbar auf maximale nukleare Abschreckung. Laut dem Journalisten Martin Fritz soll Nordkoreas Atomarsenal so gross werden, dass die USA keinen Krieg mehr wagen.
«Daraus ergibt sich ein Extremszenario: Nordkorea könnte versuchen, Südkorea zu erobern», erklärt der Kenner des Kim-Regimes. «Es könnte darauf setzen, dass die Amerikaner Südkorea aus Angst vor atomarer Vergeltung nicht verteidigen werden.»
Mit seiner militärischen Schlagkraft weiss Pjöngjang also durchaus zu beeindrucken. Gleichzeitig leidet die Bevölkerung in dem abgeschotteten Land seit vielen Jahren an Armut und Unterernährung, immer wieder kommt es zu Hungersnöten.
Der Waffenexport und die Entsendung von Arbeitskräften sind bewährte Methoden des Kim-Regimes, um sich Devisen zu beschaffen.
«Die Entwicklung der Raketen verschlingt enorme Summen», sagt Fritz, der als freier Korrespondent aus Japan berichtet. «Allein jeder der Tests im letzten Jahr hat gemäss südkoreanischen Schätzungen mehrere Millionen Dollar gekostet.»
Doch woher nimmt das Regime das Geld, um sein Waffenarsenal zu unterhalten? Diese Woche wurde ein interner UNO-Bericht publik. Darin wird Nordkorea organisierte Cyberkriminalität vorgeworfen – auch zur Finanzierung seines Atomprogramms.
Dass nordkoreanische Hacker auf Raubzüge für das Regime gehen, ist schon lange bekannt. Laut Schätzungen erbeuten sie hunderte Millionen Dollar pro Jahr. «Eine ihrer Methoden ist, dass sie mit Schadsoftware den Zugang zu Computern sperren», sagt Fritz. «Für die Freigabe der Daten wird dann die Zahlung eines Lösegelds verlangt.»
«Die besten Bankräuber der Welt»
Zweifelhafte Berühmtheit erlangte in den letzten Jahren die «Lazarus-Gruppe». Der zuständige US-Staatsanwalt bezeichnete sie 2021 als «beste Bankräuber der Welt», nachdem sie im Auftrag von Diktator Kim Jong-un Banken gehackt haben sollen. Mutmasslich erbeuteten sie dabei umgerechnet über eine Milliarde Franken.
Laut Journalist Fritz verschleiern die nordkoreanischen Cyberkriminellen ihre Herkunft oft und geben sich etwa als russische Hacker aus.
Hilfe beim «Wiederaufbau» in der Ukraine
Neben seinen erprobten Hackeraktivitäten soll Nordkorea auch vom Krieg in der Ukraine profitieren. Das Land soll sich mit Waffen- und Menschenhandel bereichern. «Der Waffenexport und die Entsendung von Arbeitskräften sind bewährte Methoden des Kim-Regimes, um sich Devisen zu beschaffen», führt Fritz aus.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg und die USA warfen Nordkorea kürzlich vor, es habe Granaten und Raketen an die russische Söldnerarmee Wagner verkauft. «Das halte ich auch nicht für unwahrscheinlich», schätzt der Nordkorea-Experte.
Ein südkoreanisches Nachrichtenportal berichtet zudem, dass Nordkorea in den kommenden Wochen rund 500 Polizisten oder Soldaten in die von Russland besetzten Gebiete in die Ukraine schicken will. Dort sollen sie beim «Wiederaufbau» helfen. «Dafür muss Moskau bestimmt in harten Devisen bezahlen», schliesst Fritz. «Denn das ist das gängige Geschäftsmodell von Pjöngjang.»