Die Mitte-Rechts-Koalition von Premier Mark Rutte hat bei den niederländischen Provinzwahlen einen dramatischen Denkzettel erhalten. Einen Erdrutschsieg verbuchte dagegen die neue populistische Bauer-Bürger-Bewegung (BBB). Sie wurde nach vorläufigen Ergebnissen auf Anhieb stärkste populistische Kraft.
BBB-Vorsitzende Caroline van der Plas sprach von einem klaren Signal: «Sie können uns nicht länger ignorieren. Wir werden mitregieren.»
Der seit über zwölf Jahren regierende Rutte von der rechts-liberalen Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) zeigte sich enttäuscht: «Das ist nicht der Sieg, auf den wir gehofft hatten.» Politiker sprachen von einem politischen Erdbeben, das die Stabilität der regierenden Koalition gefährde.
Vertrauensschwund der Bevölkerung
Hauptthema bei diesen Wahlen waren die angekündigten drastischen Umweltauflagen für die Landwirtschaft für weniger Stickstoffausstoss, die Rutte durchsetzen will. Seit Monaten protestieren vor allem Bauern, da auch die Schliessung von Betrieben droht. Die Wut der Bauern, die nur fünf bis sechs Prozent der Bevölkerung ausmachen, wurde zum Ausdruck einer allgemeinen Unzufriedenheit auch in den Städten.
Viele sehen in den Ministerien Technokraten, die nur auf Vorschriften schauen und mit Computern messen.
Der erdrutschartige Sieg der BBB hänge mit dem allgemeinen Vertrauensschwund der Bürgerinnen und Bürger in die Regierung zusammen, erklärt der freie Journalist Thomas Verfuss in Den Haag: «Viele sehen in den Ministerien Technokraten, die nur auf Vorschriften schauen und mit Computern messen.» Es herrsche eine eigentliche «Technokraten-Verdrossenheit».
Die neue Ausgangslage
In den Niederlanden sind am Mittwoch zum einen die Parlamente der zwölf Provinzen gewählt worden. In zehn oder elf der zwölf Provinzparlamente dürfte die BBB stärkste Partei werden. Die Provinzen haben verglichen mit den Schweizer Kantonen viel weniger zu sagen. Sie sind allerdings für die Raumordnung zuständig und reden so bei allfälligen Zwangsschliessungen von Bauernhöfen mit.
Zum andern werden die Provinzparlamente im Mai den Senat neu wählen. Hier hat die Vierparteien-Koalition von Rutte bereits jetzt keine Mehrheit und werden nach den Prognosen in der Ersten Kammer noch auf rund 30 Prozent der insgesamt 75 Sitze kommen. Die Koalition ist also davon abhängig, dass Sozialisten, Ex-Kommunisten und Grüne sie bei wichtigen Gesetzesvorhaben unterstützen. Somit ist zweifelhaft, ob Rutte noch wichtige Gesetze zur Reform der Landwirtschaft, Klimaschutz und Asylpolitik durchsetzen kann, wenn die BBB in der Regierung sitzt.