Das ist passiert: Nordkorea hat nach Angaben des südkoreanischen Militärs am Mittwochnachmittag (Ortszeit) mit Ballonen grosse Mengen von Müll und Fäkalien über die stark befestigte Grenze nach Südkorea gesendet. Insgesamt seien 260 solche Ballone entdeckt worden.
Die Reaktionen: Am Wochenende hatte Pjöngjang gedroht, «Haufen von Altpapier und Dreck» über die Grenzregionen zu schicken. Südkorea werde merken, «wie viel Mühe es macht, alles zu beseitigen», hiess es in einer Erklärung des Vize-Verteidigungsministers. Die Massnahmen würden eine Antwort auf die Versendung von Flugblättern und Unrat aus Südkorea sein. Seoul verlangte im Anschluss an die Aktion, «diese unmenschlichen und vulgären Handlungen sofort einzustellen».
Die Vorgeschichte: Seit Jahren unternehmen Organisationen von nordkoreanischen Flüchtlingen in Südkorea immer wieder Propagandaaktionen an der Grenze, bei denen sie grosse Gasballone mit Flugblättern losschicken. Zuweilen hängen an den Ballonen auch USB-Sticks mit südkoreanischen Dramen oder Medizin. Auch zum Sturz der Führung in Pjöngjang wurde schon aufgerufen. In Südkorea sind die Aktionen umstritten. 2021 trat ein Gesetz in Kraft, wonach das Versenden von Flugblättern und anderen Objekten an der militärischen Demarkationslinie zwischen beiden Ländern verboten ist. Das Verfassungsgericht hob das Verbot im vergangenen Jahr wieder auf.
Ein angespanntes Verhältnis: Seit dem Krieg auf der koreanischen Halbinsel in den Jahren 1950 bis 1953 stehen sich die beiden Staaten feindlich gegenüber. Nach einer zwischenzeitlichen Phase der Deeskalation hat der Konflikt auf der koreanischen Halbinsel in der jüngeren Vergangenheit wieder deutlich an Brisanz gewonnen. Seit Anfang 2022 testet Nordkorea verstärkt ballistische Raketen und andere Waffen. Auch die Rhetorik gegen die Regierungen Südkoreas und der USA, die ihre Militärkooperation ausgebaut haben, hat sich verschärft.
Die jüngste Eskalation: Am Montag ist Nordkorea mit dem Versuch gescheitert, einen weiteren Aufklärungssatelliten ins All zu schiessen. «Das war schon etwas peinlich für Nordkorea», sagt ARD-Korrespondentin Kathrin Erdmann gegenüber SRF. Vor Ort habe sich mutmasslich auch eine russische Delegation befunden. Als Gegenleistung für die Lieferung von Waffen, welche in der Ukraine eingesetzt werden, soll Pjöngjang die Unterstützung Moskaus bei den Aufklärungssatelliten erhalten. In der Nacht auf Donnerstag (Schweizer Zeit) hat Nordkorea nach Angaben des südkoreanischen Militärs etwa zehn Raketen in Richtung offenes Meer abgefeuert.
Was steckt hinter der Ballon-Aktion? «Bei Nordkorea weiss man nie so genau, wann die irgendwas machen. Aber eines ist klar: Sie wollen nicht in Vergessenheit geraten», sagt ARD-Korrespondentin Erdmann. Es gehe dem Regime darum, der Welt und dem Süden klarzumachen, dass man nach wie vor eine Gefahr darstelle. Die US-Wahlen im November spielten dabei genauso eine Rolle wie ein kommende Woche beginnendes Militärmanöver Japans und Südkoreas unter der Beteiligung der USA. «Diese Aktion mutet harmlos an», sagt Erdmann. Aber die Sorge des Nordens darüber, dass die eigenen Bürger durch Nachrichten aus dem Süden aufgeklärt würden, würde dafür sorgen, «dass es wohl auch in Zukunft so weitergeht».