Es ist eine beunruhigend schnelle Entwicklung. Nachdem am vergangenen Wochenende ein serbischer Kampftrupp einen kosovarischen Polizisten tötete und sich danach ein Feuergefecht mit der kosovarischen Polizei lieferte, warnt die amerikanische Regierung an diesem Wochenende von einem grossen serbischen Truppenaufmarsch an der Grenze zu Kosovo.
Bei der Attacke auf den kosovarischen Polizisten ist ein direktes Zutun des serbischen Präsidenten Vucic nicht belegt. Auch wenn es sehr unwahrscheinlich ist, dass er nichts davon gewusst hat. War doch ein langjähriger Kosovo-serbischer Gewährsmann Vucics direkt an den Kampfhandlungen beteiligt.
Beim Truppenaufmarsch an der Grenze zu Kosovo ist der Fall klar: Das geschieht nur, wenn es der serbische Präsident will. Vielleicht ist es ein weiterer Bluff Vucics. Es scheint unwahrscheinlich, dass Serbien in Kosovo einmarschiert, wo mehr als 4000 Kfor-Soldaten unter Nato-Kommando stationiert sind. Doch diesen Fall auszuschliessen, wäre töricht. Denn Vucic testet die Grenzen immer mehr aus – ernsthafte Konsequenzen musste er bisher nicht befürchten. Weshalb nicht noch einen Schritt weitergehen, könnte er sich fragen.
Fatale Woche
Es ist eine fatale Woche für Kosovo, aber auch eine fatale Woche für die westliche Diplomatie. Die aktuellen Ereignisse machen klar, dass die EU, die im sogenannten Normalisierungsprozess zwischen Kosovo und Serbien seit Jahren erfolglos vermittelt, mit ihrer bisherigen, von den USA unterstützten Strategie gescheitert ist.
Auch in der Hoffnung, den serbischen Präsidenten von seinem russlandfreundlichen Kurs abzubringen, wurde er in den letzten Jahren von der EU und den USA geradezu pfleglich behandelt. Während Kosovo zurzeit mit westlichen Sanktionen belegt ist, hat man gegenüber Serbien auf solche verzichtet. Eine Einladung für Vucic, die Grenzen immer weiter auszutesten.
Späte Erkenntnis
Die Erkenntnis, dass diese Strategie gescheitert ist, scheint nach dieser Woche auch in der EU-Zentrale in Brüssel und in Washington anzukommen. Die Rhetorik gegenüber Belgrad hat sich zumindest merklich verschärft. Während man in der Vergangenheit automatisch jeweils «beide Seiten» zur Deeskalation aufrief, richten sich die entsprechenden Stellungnahmen jetzt explizit an Serbien.
Es ist eine späte Erkenntnis. Und mit einer schärferen Rhetorik ist es nicht getan. Die EU und die USA sind mit ihrer bisherigen Strategie in der Kosovo-Diplomatie mitverantwortlich für das, was in der Region geschieht. Eine neue Krise auf dem westlichen Balkan kann insbesondere nicht im Sinne der EU sein. Sie ist deshalb zuallererst gefordert. Zum Beispiel mit Sanktionen gegen Serbien. Nur so kann die EU ihre verlorene Glaubwürdigkeit als Vermittlerin zwischen Kosovo und Serbien wieder herstellen – es wäre allerhöchste Zeit dafür.