Darum geht es: Polen setzt an der Grenze zu Belarus das Recht auf Asylanträge zeitweise aus. Der polnische Präsident Andrzej Duda hat am Dienstag ein entsprechendes Gesetz unterzeichnet. Das Gesetz sieht vor, dass in Notlagen an der Grenze für 60 Tage nur Ausländerinnen und Ausländer, die legal eingereist sind, ein Asylgesuch stellen dürfen. Als Notlage gilt die Situation an der Grenze zu Belarus. Dieses Gesetz war vom polnischen Premierminister Donald Tusk bereits im Oktober angekündigt worden.
Das ist die Notlage: An der Ostgrenze zu Belarus versuchen Tausende Flüchtlinge die stark befestigte Grenze zu überqueren. Die Flüchtlinge werden von den belarussischen Behörden unterstützt. Polen wirft Belarus und Russland vor, mit den Migrantinnen und Migranten gezielt die EU zu destabilisieren.
Warum jetzt: Dass das Gesetz ausgerechnet jetzt in Kraft tritt, habe mit den anstehenden Wahlen in Polen zu tun, sagt Jan Opielka, freier Korrespondent in Polen. «Der Posten des Staatspräsidenten ist im Mai zu vergeben. Der erste Wahlgang findet am 18. Mai statt. Das Lager Tusk möchte, dass der eigene Kandidat gewinnt.» Die Migration sei zu einem Thema geworden, bei dem sich die Parteien in der Schärfe überbieten.
Eine eigentlich illegale Handlungsweise wird verrechtlicht.
Was sich nun ändert: Für die Migranten und Migrantinnen werde sich nichts ändern, sagt der Journalist, denn: «Das, was seit drei Jahren gang und gäbe ist, nämlich Pushbacks, wird mit diesem Gesetz in gültiges Recht umgewandelt. Faktisch wird dadurch ein Menschenrecht eingeschränkt. Eine eigentlich illegale Handlungsweise wird verrechtlicht.»
Das sind Pushbacks: Wenn Menschen, die eigentlich das Recht hätten, ein Asylgesuch zu stellen, einfach wieder über die Grenze zurückgebracht werden, nennt man das Pushback.
Es sind Tausende von Menschen, die gezielt vom belarussischen Regime gezwungen werden, über die Grenze nach Polen zu gehen.
So viele Menschen sind betroffen: Es kursierten unterschiedliche Zahlen, sagt der Journalist. «In jedem Fall sind es Tausende von Menschen, die tatsächlich auch gezielt vom belarussischen Regime an die Grenze gebracht werden und gezwungen werden, über die Grenze zu gehen – das berichten auch polnische Menschenrechtsorganisationen.»
Der Status dieser Menschen: Es seien Menschen, die aus Ländern kommen, die von Kriegen geplagt sind oder Menschen, die in anderen Zeiten aus anderen Gründen als schutzsuchend gelten würden, so der Journalist. Die letzten bekannten Zahlen stammen vom Juni 2024 von einer polnischen Menschenrechtsgruppe. Gemäss diesen Zahlen seien bereits im letzten Juni bei dem Versuch, die Grenze zu überqueren, 130 Menschen ums Leben gekommen, sagt Opielka.
Das sagt die EU dazu: Die EU-Kommission hat Staaten erlaubt, das Recht, ein Asylgesuch an der Grenze zu Belarus zu stellen, einzuschränken. Dies mit der Begründung, dass Belarus gezielt versucht, Menschen in die EU einzuschleusen.
«Das Sterben der liberalen Demokratie»: So titelte eine polnische Tageszeitung und nahm Bezug auf das Gesetz. Die Einschränkung der Menschenrechte sei ein schleichender Prozess, auch wenn die Massnahme nun auf 60 Tage beschränkt sei, sagt Opielka. Die Regierung könne die Gültigkeit des Gesetzes alle zwei Monate verlängern und eine Beschränkung der Verlängerungsmöglichkeit gebe es nicht.