Einmal im Jahr holt der russische Präsident Wladimir Putin zum Rundumschlag aus und veranstaltet eine mehrstündige Medienkonferenz. Thema: Alles. Sein Auftritt heute war weniger einfach als auch schon. Putin ist nicht mehr ganz so populär wie früher. Besonders die Rentenreform hat den Lack beschädigt. Trotzdem sagt SRF-Korrespondent David Nauer: Der grosse Knall in Putins Russland ist noch in weiter Ferne.
SRF News: Hat Putin an der Medienkonferenz versucht, wieder Boden gut zu machen?
David Nauer: Versucht hat er es. Putin hat relativ viel über die Wirtschaftslage in Russland gesprochen und mit Zahlen jongliert. Er sagte, die Wirtschaft wachse dieses Jahr um 1,7 Prozent, die Inflation betrage 4,1 Prozent, die Arbeitslosigkeit 4,8 Prozent. Eine Zahl hat die andere gejagt. Die Botschaft war klar: «Russland geht es gut und ich Putin habe die Lage im Griff.»
Und stimmt das, hat Putin die Lage im Griff?
Ich würde sagen: Es geht so. Wenn man das Wort «Realeinkommen» auf russisch googelt erhält man viele verschiedene Nachrichten-Links. Bei den einen heisst es: «Putin sagt: Die Realeinkommen steigen». Bei den anderen heisst es: «Die Statistik zeigt: Die Realeinkommen sinken.» Die Realität ist wahrscheinlich etwas komplizierter. Das Geld, dass die Menschen effektiv im Portemonnaie haben, ist vier Jahre in Folge gesunken. Teils ziemlich stark.
Ich spüre noch kein richtiges Brodeln in Russland.
Dieses Jahr bleibt das Realeinkommen mehr oder weniger stabil. Das heisst, die Leute wurden nicht mehr ärmer. So richtig reicher wurden sie aber auch nicht. Das entspricht auch der Gefühlslage bei vielen Russinnen und Russen, mit denen ich spreche: Es herrscht Stagnation auf tiefem Niveau. Es geht nicht abwärts aber auch nicht aufwärts.
Die Bevölkerung ist weniger zufrieden als auch schon. Putin schien weniger spritzig als auch schon. Könnten das Vorboten einer Post-Putin-Zeit sein?
Grundsätzlich ist es so, dass Putin 2024 abtreten müsste. Dann wäre jetzt laut Verfassung seine letzte Amtszeit. Ob er dann auch wirklich geht, weiss niemand. Die Russen sagen von sich selbst immer, dass sie ein geduldiges Volk seien. Sie könnten Mühsal lange ertragen. Irgendwann aber reiche es ihnen und dann knalle es. Ich glaube, ein solcher Knall ist noch in weiter Ferne. Ich spüre noch kein richtiges Brodeln in Russland. Eher eine kleine Unzufriedenheit, ein leichtes «Maulen». Aber vielleicht irre ich mich ja auch.
Das Gespräch führte Isabelle Maissen.