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Russlands Drohung mit Atomwaffen
Aus Tagesschau vom 04.10.2022.
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Putins Provokation Die wichtigsten Antworten zur nuklearen Bedrohung

Putin droht mit Atomwaffen. Doch was genau lagert in den nuklearen Arsenalen weltweit? Ein Überblick.

Was sind Kernwaffen? Kernwaffen, auch Atom- oder Nuklearwaffen, sind Massenvernichtungswaffen. Ihr Prinzip beruht auf Kernspaltung beziehungsweise Kernfusion. Von allen Waffen der Menschheit besitzen Atomwaffen das mit Abstand höchste Vernichtungspotenzial. Bekannte Beispiele für Atombomben sind «Little Boy» und «Fat Man», die die USA 1945 auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfen hat.

Zu den Atomwaffen gehört auch die Wasserstoffbombe, bei der sich zuerst Atomkerne spalten und in einem zweiten Schritt wieder verbinden – quasi eine Atombombe in der Atombombe. Fast alle Atomwaffen beruhen mittlerweile auf diesem Grundprinzip.

«Zar-Bombe» – die stärkste je geschaffene Kernwaffe

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Legende: Eine Nachbildung der sowjetischen Atombombe AN-602 («Zar-Bombe») wurde 2015 in Moskau ausgestellt. REUTERS/Maxim Zmeyev

Am 30. Oktober 1961 wurde auf der nördlich von Russland gelegenen Insel Nowaja Semlja die «Zar-Bombe» gezündet. Die Explosion war 3300 Mal stärker als die «Little Boy»-Bombe und ist damit die stärkste jemals gezündete Kernwaffe, wie Sicherheitsexperte Stephen Herzog an der ETH Zürich auf Anfrage von SRF schreibt. Sie habe dazu beigetragen, Initiativen zur nuklearen Rüstungskontrolle in Gang zu setzen.

Die «Zar-Bombe» gehört zur zweiten Kategorie – «Atombombe in der Atombombe».

Wer hat Atomwaffen und wie viele? Aktuell gibt es neun Staaten, von denen bekannt ist, dass sie über Nuklearwaffen verfügen.

Die offiziell anerkannten Atommächte Russland, USA, China, Grossbritannien und Frankreich haben sich eigentlich im Atomwaffensperrvertrag zur Abrüstung verpflichtet. Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea haben den Atomwaffensperrvertrag bis heute nicht unterzeichnet.

Welche Atomwaffen besitzt Russland?

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Es gibt keine offiziellen Zahlen zu russischen Kernwaffenbeständen. Allerdings veröffentlichen mehrere Expertenorganisationen der Federation of American Scientists regelmässig Schätzungen, wie der Physiker und Politikwissenschaftler Moritz Kütt schreibt.

Kütt arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsbereich «Rüstungskontrolle und Neue Technologie» des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg.

Laut den Schätzungen besitze Russland von rund 6000 Kernwaffen 1588 strategisch einsatzbereite. Russland nutze drei verschiedene Trägersysteme für diese Waffen: Interkontinentalraketen, ballistische Raketen auf U-Booten und strategische Bomber (Flugzeug). Je nach Trägersystem und Raketen könnten sie mit einer oder mehreren Kernwaffen bestückt werden, so Kütt. Hinzu kommen zirka 2000 nicht-strategische Kernwaffen. Die meisten davon sind in Besitz der russischen Marine oder der Luftwaffe. Lesen Sie hier mehr dazu.

Welche Arten von Atomwaffen gibt es? Atomwaffen gibt es in vielen Varianten, grundsätzlich wird allerdings zwischen strategischen und taktischen Atomwaffen unterschieden.

  • Taktische Kernwaffen sollen ähnlich wie «normale» Waffen im Gefecht eingesetzt werden. Die Sprengleistungen sind im Vergleich zu strategischen Waffen (siehe unten) gering, jedoch ungleich zerstörerischer als «normale» Waffen. «Viele der heutigen sogenannten taktischen Kernwaffen mit geringer Sprengkraft sind in Wirklichkeit stärker als die Bomben, die über Hiroshima und Nagasaki abgeworfen wurden», sagt Alexander Bollfrass vom Center for Security Studies der ETH Zürich.
  • Strategische Kernwaffen sollen im Gegensatz zu taktischen mit Reichweite und Sprengkraft beeindrucken und werden in erster Linie gegen gegnerische Städte eingesetzt, aber sie können auch für Angriffe auf wichtige militärische Einrichtungen wie Marinestreitkräfte auf See und grosse Truppenstützpunkte verwendet werden, erklärt Sicherheitsexperte Stephen Herzog von der ETH Zürich. Klassische Beispiele von Trägersystemen solcher strategischer Kernwaffen sind:

Welche Staaten wollen Atomwaffen beschaffen? Experten rechnen damit, dass sich der Kreis der Atommächte in den nächsten Jahren erweitern wird. Für Mark Fitzpatrick, früher im US-Aussenministerium verantwortlich für Massenvernichtungswaffen und heute Strategie-Experte in London, sind Iran und Saudi-Arabien die wahrscheinlichsten Neuzugänge. Sobald Iran Atomwaffen besitze, würden weitere Regionalmächte nicht zuschauen, sondern reagieren.

Als die Schweiz eine Atombombe bauen wollte

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Legende: Zur Verteidigung der Unabhängigkeit «gehören die Atomwaffen», schrieb der Bundesrat 1958 in seiner öffentlichen Erklärung. SRF

Nach dem Zweiten Weltkrieg wuchs die Angst vor der Sowjetunion. Unter der Bezeichnung «Studienkommission für Atomenergie» wurde ein Atomprogramm unter der Leitung des Physikers Paul Scherrer lanciert.

1958 sprach sich der Bundesrat in einer Erklärung klar und deutlich für die Anschaffung von Atomwaffen aus: «In Übereinstimmung mit unserer jahrhundertealten Tradition der Wehrhaftigkeit ist der Bundesrat der Ansicht, dass der Armee zur Bewahrung unserer Unabhängigkeit und zum Schutze unserer Neutralität die wirksamsten Waffen gegeben werden müssen. Dazu gehören die Atomwaffen.»

Der Widerstand von pazifistischen Gruppen und weiteren Strömungen war gross. Doch ein Verbot von Atomwaffen fand in der Schweizer Bevölkerung keine Mehrheit: Zu Beginn der 1960er-Jahre lehnte das Stimmvolk ein Verbot von Atomwaffen ab.

Später kippte die Stimmung in der Schweiz der Armee gegenüber, etwa durch die sogenannte «Mirage-Affäre», bei der es um massive Kostenüberschreitungen bei der Flugzeugbeschaffung ging. Auch der Atom-Unfall in Lucens im Kanton Waadt schreckte die Schweiz auf. Am 21. Januar 1969 kam es dort zu einer Kernschmelze.

Der Bundesrat nahm danach wieder mehr Abstand von den Atomwaffen-Plänen. 1969 unterzeichnete die Schweiz den Atomwaffensperrvertrag. Das geheime Atomwaffenprogramm lief jedoch weiter und wurden erst 1988 beendet. Lesen Sie hier den ganzen Artikel.

Kann Putin alleine über einen russischen Kernwaffeneinsatz befehligen? Als sicher gilt, dass der russische Präsident als Oberbefehlshaber der Streitkräfte dazu berechtigt ist. Das geht aus dem Report von Jeffrey Lewis und Bruno Tertrais hervor. Unklar ist allerdings, ob ein solcher Befehl von einer oder mehreren Personen bestätigt werden müsste.

Drei Schlüsselfiguren haben einen Aktenkoffer zur Verfügung, mit der sie Befehlsgewalt über die Kernwaffen ausüben können. Neben Wladimir Putin sind das der russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu und der Generalstabschef Waleri Gerassimow. Viele Experten sind sich einig, dass das russische System verhindern soll, dass eine einzige Person die Starterlaubnis für Kernwaffen erteilen kann.

10vor10, 04.10.2022, 21:50 Uhr

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