Die Regierung in Österreich hat dem Parlament ein verschärftes Islamgesetz vorgelegt. Sollte es der Nationalrat annehmen, könnten islamische Glaubensgemeinschaften künftig stärker kontrolliert werden. Allerdings müssten auf diesem Gesetz basierende Entscheide – etwa die Schliessung von Moscheen – vor Gericht bestand haben, sagt Jurist Andreas Kowatsch.
SRF News: Österreich hat seit 2015 ein Islamgesetz. Es gibt der Regierung bereits gewisse Kontrollmöglichkeiten. Was soll nun verschärft werden?
Andreas Kowatsch: Verschärft werden soll die Möglichkeit, dass Einrichtungen einzelner Kultusgemeinden im Bedarfsfall aufgelöst werden können. Im Bedarfsfall heisst, wenn die öffentliche Sicherheit bedroht sein sollte durch angebliche oder tatsächliche Vorgänge innerhalb dieser Einrichtungen.
Natürlich kann die Polizei in jedes Haus, in jede Moschee, auch in jede christliche Kirche hinein, wenn dort der Verdacht einer strafbaren Handlung besteht.
Das können Moscheevereine sein, die den Sicherheitsbehörden bis jetzt nicht direkt zugänglich waren, oder nicht so, dass sie hätten aufgelöst werden können. Natürlich kann die Polizei in jedes Haus, in jede Moschee, auch in jede christliche Kirche hinein, wenn dort der Verdacht einer strafbaren Handlung besteht. Aber hier sollte eben der Blick auf den Islam geschärft werden.
Mit dem Gesetz soll auch verhindert werden, dass muslimische Gemeinden Gelder aus dem Ausland erhalten. Was halten Sie davon?
Anerkannte Glaubensgemeinschaften müssten neu Verzeichnisse führen und den Behörden auf Verlangen vorlegen. Das Finanzierungsverbot besteht schon seit 2015 und ist auch schon vor dem Verfassungsgericht gelandet. Wenn es um staatliche Auslandsfinanzierung ging, hatte das Verbot Bestand. Die private Auslandsfinanzierung darf der Staat hingegen nicht verbieten.
Der Staat soll Moscheevereine leichter auflösen können, wenn es der öffentlichen Sicherheit dient. Ist das ein Eingriff in die Religionsfreiheit?
Die direkte Auflösung der Rechtspersönlichkeit ist in der Tat ein sehr krasser Eingriff in die Religionsfreiheit. Allerdings braucht der Staat dazu einen Verdachtsfall. Er schafft jetzt die gesetzlichen Grundlagen dazu. Und im Einzelfall muss ganz streng die Verhältnismässigkeit geprüft werden. Denn eine Auflösung unterliegt einer nachträglichen gerichtlichen Überprüfung.
Hinzu kommt, dass es ja auch gelindere Massnahmen gibt als die Auflösung, etwa ein vorübergehendes Verbot, eine Moschee zu betreten, oder eine spezielle Überwachung. Die Auflösung unterliegt engen Kontrollmechanismen bis hinauf zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Kritiker der Gesetzesänderung monieren, dass sie Teil eines Anti-Terror-Pakets ist. Die Regulierung der muslimischen Gemeinden und die Anti-Terror-Bekämpfung sollten separat behandelt werden. Wie sehen Sie das?
Ich sehe das ähnlich, weil die Verquickung von sicherheitspolizeilichen Massnahmen und religionsrechtlichen Vorschriften den Verdacht hervorruft, dass hier eine Religionsgemeinschaft anders behandelt werden soll als jede andere.
Es gibt gelindere Massnahmen als die Auflösung, etwa ein vorübergehendes Verbot, eine Moschee zu betreten, oder eine spezielle Überwachung.
Grundsätzlich ist es problematisch, weil unter dem Deckmantel der Bezeichnung «muslimisch-islamisch» eine ganze Fülle von grundrechtlich anerkannten religiösen Freiheitsäusserungen stehen, die der Staat eigentlich schützen muss. Darum sollte vielleicht der Kampf gegen Missbrauch von Religion nicht in jenes Gesetz hineingenommen werden, das positiv auf diese Religion zugehen möchte, indem Militär- und Spitalseelsorge und Speisevorschriften nach islamischem Ritus geregelt werden.
Das Gespräch führte Claudia Weber.