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«Die Menschen in Nordsyrien sollen sich ein Bild machen können»
Aus SRF 4 News aktuell vom 11.10.2019. Bild: zvg
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Radiostation in Nordsyrien «Wir informieren, wie weit die Türkei vorgerückt ist»

In Nordsyrien herrscht seit der Militäroffensive der Türkei Krieg. Tausende sind auf der Flucht. Und die, die bleiben, sind auf Informationen angewiesen. Das ist eine wichtige Aufgabe für den lokalen Radiosender Arta FM. Er sendet seit sechs Jahren in vier Sprachen aus dem syrisch-türkischen Grenzgebiet. Sirwan Berko ist der Direktor des Senders. Er ist zurzeit in Deutschland, steht aber in Kontakt zu seinen Mitarbeitern.

Sirwan Berko

Sirwan Berko

Direktor Arta FM

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Der Deutsch-Kurde Sirwan Berko ist der Direktor des Radiosenders Arta FM. Er hat fast 30 Jahre lang in Deutschland gelebt und arbeitete unter anderem für den Westdeutschen Rundfunk WDR. Vor ein paar Jahren ging er zurück in seine Heimat, nach Nordsyrien, wo er den Radiosender Arta FM mitaufbaute.

SRF News: Trotz der Offensive sendet Arta FM weiter. Wie ist das möglich?

Sirwan Berko: Es ist in der Tat sehr schwierig. Eines unserer Büros liegt in einer Stadt, die gezielt durch die Türkei und ihre Verbündeten angegriffen wird. Wir haben es schliessen müssen. Unsere Mitarbeiter haben die Stadt verlassen. In den anderen Städten arbeiten aber weiterhin über 60 Mitarbeiter.

Meine Mitarbeiter haben Angst, weil sie direkt an der türkischen Grenze sind.

Sie befinden sich derzeit in Deutschland. Was hören Sie von Ihren Mitarbeitern in Nordsyrien über die Offensive?

Ich bin in ständigem Kontakt mit meinen Mitarbeitern über eine Facebookgruppe. Dort habe ich gelesen, dass über 60'000 Menschen ihre Häuser verlassen mussten. Ich habe auch erfahren, dass die Region ständig angegriffen wird – von türkischer Seite, aber auch von syrischer Seite. Meine Mitarbeiter wissen nicht, wie lange sie noch weiterarbeiten können. Sie haben Angst, weil sie direkt an der türkischen Grenze sind. Sie hoffen, dass das Ganze bald endet.

Was erfahren Sie über die Menschen, die auf der Flucht sind?

Sie haben nichts mitgenommen. Sie werden in Schulen untergebracht, in denen praktisch nichts vorhanden ist: keine Decken, kein Essen, keine Medizin, gar nichts. Man war nicht vorbereitet auf diesen Krieg.

Wenn es so weitergeht, werden wir eine humanitäre Katastrophe erleben.

Internationale Hilfsorganisationen sind nicht vor Ort. Die, die dort waren, haben sich in Sicherheit gebracht. Lokale Organisationen versuchen den Menschen zu helfen, obwohl sie gar keine Mittel haben. Wenn es so weitergeht, werden wir eine humanitäre Katastrophe erleben.

Seit Wochen gab es Zeichen, dass etwas passieren könnte. Wieso waren die Menschen in der Region dennoch nicht vorbereitet?

Seit mehr als sechs, sieben Jahren hören wir von türkischen Drohungen. Trotzdem ging das Leben weiter. Die Wirtschaft hat geboomt. Den Menschen ging es gut. Es gab keinen Krieg. Man hat sein Leben gelebt und auf einmal hat die Türkei entschieden, das Ganze zu zerstören und die Menschen in Unsicherheit zu bringen. Man war nicht wirklich auf Krieg vorbereitet.

Ihr Sender gilt als unabhängig. Trotzdem: Sind Sie wütend auf die Türkei?

Klar. Wer ist nicht wütend, wenn er angegriffen wird? Menschen leben in Frieden und auf einmal wird dieser Frieden zerstört. Dennoch versuchen wir, den Menschen zu helfen und nicht wütend zu sein. Das bringt zurzeit nichts.

Wir geben den Menschen Tipps, damit sie heil durch den Krieg kommen.

Wir müssen schauen, wie wir die Menschen in der Region mit Informationen versorgen, damit sie heil durch den Krieg kommen. Der Krieg hat die Wasserversorgung an einigen Stellen zerstört. Bis zu einer Million Menschen haben Probleme, an Wasser zu kommen. Auch Strom gibt es nicht.

Das heisst, Sie liefern derzeit keine politischen Informationen?

Wir liefern auch politische Nachrichten darüber, wo Krieg herrscht, wo angegriffen wird, wo es Verletzte und Tote gibt, und ob es internationale Reaktionen gibt. Die Leute sollen sich ein Bild machen können, was im In- und Ausland passiert. Und wir informieren, wie weit die Türkei vorgerückt ist. So versuchen wir, den Menschen die Flucht zu vereinfachen, aber auch jenen, die sich entschieden haben zu bleiben, Tipps zu geben, wo man was bekommt.

Das Gespräch führte Rino Curti.

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