Im Juni 1956 wurde der sogenannte National Interstate and Defence Highways Act verabschiedet – das bis dahin grösste Strassenbauprojekt in der amerikanischen Geschichte.
Mit damals unglaublichen 25 Milliarden Dollar sollten innerhalb von zehn Jahren mehr als 66'000 Kilometer an Schnellstrassen kreuz und quer durch die Vereinigten Staaten gebaut werden. Ein Strassennetz, das die amerikanischen Metropolen miteinander verbinden sollte.
Durch Fördergelder für zurückkehrende Weltkriegsveteranen wurde aber eine Situation geschaffen, die vor allem die weisse Bevölkerung bevorzugte, wie Ben Crowther von der gemeinnützigen Organisation Congress for the New Urbanism, einer Stadtplanungsgruppe, erklärt.
Die Verläufe der Strassen wurden vor allem aus rassistischen Gründen gewählt.
«Beim Bau der Highways wurden die Verläufe der Strassen vor allem aus rassistischen Gründen gewählt. Es wurde ein System etabliert, dass ein Strassenplaner sich den Weg auswählt, wo es den geringsten Widerstand zu befürchten gibt, sowohl aus finanzieller wie auch aus politischer Sicht. Und das traf gerade jene Quartiere, in denen die Häuser von People of Colour aufgrund des Redlining abgewertet worden waren», so Crowther.
Und das waren die Viertel der afroamerikanischen Bevölkerung. Die Viertel waren schlechter erschlossen, weil sie von den Behörden vernachlässigt wurden. In den USA spricht man hierbei von «Redlining».
Durch die kalifornische Grossstadt Oakland geht der Freeway 980. Und dieser 980er trennt das historisch afroamerikanische Viertel in West Oakland vom Stadtzentrum. Eine fünfspurige, tiefergelegte Schnellstrasse, die insgesamt 170 Meter breit ist. Nur vier Strassenblocks von hier entfernt steht das gewaltige Rathaus von Oakland.
Für Oaklands Bürgermeisterin Libby Schaaf ist der 980er deprimierend: «Er erinnert mich an einen Burggraben. Für mich sah das immer wie ein rassistischer Graben aus, der Downtown von der schwarzen Nachbarschaft von West Oakland schützte.»
Doch eine breite Diskussion über die Zukunft dieser Freeways hat begonnen. «Der Beschleuniger dafür war George Floyd und die Black Lives Matter Bewegung», sagt Nate Miley. Er ist seit 2001 Supervisor für den kalifornischen Bezirk Alameda, in dem Oakland die grösste Stadt ist.
Für ihn ist klar, dass dieser Kampf um den Rückbau des 980ers eher Symbolpolitik ist. «Allein der Rückbau des Freeways würde nicht an die Wurzeln des Rassismus und der Ungerechtigkeit gehen. Klar ist für mich aber, dass dieser symbolische Akt zeigen würde, dass wir als Gesellschaft fähig sind, historische Fehler, die den People of Color angetan wurden, zu überwinden. Symbolisch, aber ein Schritt in die richtige Richtung.»
Im Infrastrukturplan der Regierung von Präsident Joe Biden sind Gelder für den Rückbau solcher historischer Fehler in der Stadtplanung vorgesehen. Ob es zur Umsetzung kommt, hängt sicherlich auch von zukünftigen Mehrheiten im Kongress und davon ab, wer im Weissen Haus sitzt. Davon, wie man auf die Geschichte des Landes blickt. In den tief gespaltenen Vereinigten Staaten ist die Antwort noch offen.