Der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU) hat erstmals eine «Reichsbürger»-Gruppierung verboten. Polizeibeamte durchsuchten in den frühen Morgenstunden die Wohnungen führender Mitglieder des Vereins «Geeinte deutsche Völker und Stämme» und seiner Teilorganisation «Osnabrücker Landmark» in zehn Bundesländern.
Die Mitglieder des Vereins «bringen durch Rassismus, Antisemitismus und Geschichtsrevisionismus ihre Intoleranz gegenüber der Demokratie deutlich zum Ausdruck», hiess es aus dem Bundesinnenministerium.
In den vergangenen Jahren sei die Gruppierung unter anderem durch «verbalaggressive Schreiben» aufgefallen. Darin sei den Adressaten «Inhaftierung» und «Sippenhaft» angedroht worden. Das «Höchste Gericht» der Gruppe drohte Regierungsmitgliedern mit Klagen wegen der «Zersetzung hoheitlicher Staatlichkeit».
Die nun verbotene Gruppe mache schon länger Schlagzeilen, berichtet SRF-Deutschland-Korrespondentin Bettina Ramseier. Unter anderem durch massive Drohungen gegenüber Politikern. Schwerpunkt ihrer Aktionen war zuletzt Berlin.
So versuchte sie beispielsweise 2017 eine Handvoll Anhänger, das Rathaus im Bezirk Zehlendorf zu «übernehmen». Im Brustton der Überzeugung verlangten sie die Herausgabe eines Schlüssels, bevor die Polizei schliesslich die Aktion beendete.
Nach Angaben der Polizei setzten sich ihre Mitglieder zudem mit Vehemenz und Drohungen für eine vorzeitige Haftentlassung des wegen Volksverhetzung verurteilten todkranken Holocaust-Leugners Horst Mahler (84) ein.
Nicht nur grölende Glatzköpfe
In ganz Deutschland soll es nach Angaben des Verfassungsschutzes rund 19’000 Mitglieder der «Reichsbürger»-Szene geben. Ihre Mitglieder gelten als waffenaffin. «Die Reichsbürger sind nicht nur Neonazis, Rassisten und Antisemiten, sind auch hochgradig verschwörungstheoretisch unterwegs», so Ramseier. Fast 1000 von ihnen gelten als rechtsextrem.
Nach der rechten Terrorwelle der letzten Monate in Deutschland reiht sich das Verbot ein in eine grossangelegte Strategie der Bundesregierung und Sicherheitsbehörden. Seehofer hatte schon im vergangenen Jahr mehrere Verbotsverfügungen angekündigt. Ende Januar verbot er dann die rechtsextreme Gruppe «Combat 18». Der Name der Vereinigung gilt als Codewort für «Kampftruppe Adolf Hitler».
«Die Bundesregierung verfolgt den Kampf gegen rechts auch in Zeiten von Corona weiter», sagt die Korrespondentin in Berlin. Und gerade jetzt sei es extrem wichtig, gegen Verschwörungstheoretiker vorzugehen. So kursierten in diesen Kreisen Fake News, wonach die Pandemie eine blosse Erfindung sei. «Sie halten sich deswegen auch nicht an die Verhaltensregeln des Staates.»
Querschläger seien das letzte, was Deutschland im Moment brauchen könne, schliesst Ramseier. Dem ist sich auch die deutsche Politik bewusst.
In der gestrigen ARD-Sondersendung zum Coronavirus warnte der CDU-Spitzenpolitiker Armin Laschet davor, eine Wirtschaftskrise könnte rechtsextremen Kräften in die Hände spielen. «Unsere Gesellschaft ist so aggressiv im Moment, mit nur 2.3 Millionen Arbeitslosen und viel Wohlstand. Was passiert, wenn es mal wieder fünf Millionen Arbeitslose gibt?»