Viele konservative Politikerinnen und Politiker in Australien haben wenig Freude am Wahlsieg von Joe Biden in den USA. Ein Streitpunkt könnte die Klimapolitik werden. Australien werde seinen eigenen Weg gehen, sagte etwa Premierminister Scott Morrison in einer ersten Reaktion auf die Wahl.
«Unter Präsident Donald Trump hatten Australien und die USA viele Gemeinsamkeiten, eine ähnliche Ideologie», sagt Australien-Korrespondent Urs Wälterlin. Diese laute: Wirtschaft und Wachstum vor Umwelt. Australien habe sich in internationalen Foren – dem Pariser Abkommen zum Beispiel – denn auch oftmals im Duett mit der Trump-Administration quergestellt.
Biden will nun den Klimaschutz zu einer Priorität machen. Er hat bereits verkündet, dass er dem Pariser Klimaabkommen wieder beitreten will. Wälterlin glaubt nicht, dass Australien unter diesen Vorzeichen an seiner aktuellen Klimapolitik festhalten kann. Denn Australien habe nicht nur die höchsten Klimaemissionen pro Kopf der westlichen Welt. «Das Land ist mit 50 Milliarden US-Dollar pro Jahr auch der grösste Kohleexporteur der Welt.»
Langfristig werde Australiens Markt zusammenbrechen, ist der Korrespondent überzeugt. Und dann habe Australien ein echtes Problem.
Im Konflikt mit Bidens Handelspolitik
Die Klimapolitik ist aber nicht die einzige Baustelle. Eine andere ist die US-Handelspolitik – vor allem jene mit China. Denn China der grösste Handelspartner Australiens. Was Bidens Wahl diesbezüglich für Australien bedeutet, ist laut Wälterlin schwierig einzuschätzen.
«Australien ist in dieser Weltregion eine Art Statthalter von Washington», sagt er. Deshalb habe es in den letzten Monaten grosse Probleme mit China gegeben. «Getreide, Fleisch und Mineralien sind von Handelsboykotten betroffen. Der Grund dafür ist die Aufforderung Australiens, den Ursprung des Coronavirus zu finden.»
Diese Aufforderung sei auf Drängen Trumps erfolgt, heisst es. «Was Biden angeht, bin ich nicht sicher, ob er auch so aggressiv gegen China vorgehen wird wie Trump. Er scheint etwas versöhnlicher und konsenssuchender zu sein.» Das könnte dazu führen, dass Australien im Regen stehen bleibt, während sich Peking und Washington wieder näherkommen, so Wälterlin.
Trump-Vertrauter in der Regierung
Der frühere australische Finanzminister und Botschafter in Washington, Joe Hockey, hat sich Trumps Vorwurf des Wahlbetrugs angeschlossen. Er sei jedoch eine Ausnahme, sagt der bei Canberra lebende Korrespondent. «Meines Erachtens spielen da persönliche Interessen mit. Hockey ist ein sehr enger Vertrauter von Trump. Er spielt Golf mit ihm und hat jetzt, nachdem er nicht mehr Botschafter ist, eine private Beraterfirma in Washington eröffnet.»
Er erhoffe sich mit seiner Unterstützung von Trumps Vorwürfen Aufträge aus der Republikanischen Partei. «Generell glaubt man hier an die Qualität des Wahlsystems in Amerika und auch an das Wahlergebnis», sagt Wälterlin.
Ausnahmen gebe es natürlich: «Fantasten in den rechtskonservativen Murdoch-Medien zum Beispiel, die immer noch an einen Sieg ihres Helden glauben, genauso wie das gewisse Kommentatoren auch in den USA tun.»
Kulturelle Nähe der beiden Länder
Unter dem Strich werde sich die Beziehung zwischen den USA und Australien unter Biden gut entwickeln, glaubt Wälterlin. «Sie muss ganz einfach.» Die USA seien ein wichtiger, strategischer Partner. «Wenn es um Verteidigung geht, ist Amerika praktisch die Schutzmacht Australiens. Kommt dazu: Es gibt auch eine enge kulturelle Nähe. Amerikaner und Australier sind sich sehr ähnlich. Beide sind Pionierländer mit einem entsprechend harten Verhalten.»
Und der Lebensstil sei ebenfalls sehr ähnlich. «Es ist eine tiefe Verbundenheit.» Diese sei so tief, dass der frühere Premierminister John Howard einst gesagt hat, Australien sei der «Hilfssheriff Amerikas im Pazifik».