«Es liegt etwas Grosses in der Luft», verkündete FPÖ-Chef Herbert Kickl Ende Mai an einer Wahlkampfveranstaltung in Graz. Bei den EU-Wahlen, Nationalratswahlen und steirischen Landtagswahlen werde der «blaue Blitz» einschlagen, so Kickl.
Laut Umfragen wird die FPÖ diese drei Wahlen gewinnen und am Ende vielleicht trotzdem mit leeren Händen dastehen. In Europa, weil sich die FPÖ hinter die AfD stellt, die wegen der Verharmlosung der SS durch ihren Spitzenkandidaten Maximilian Krah aus der Fraktion «Identität und Demokratie» im Europaparlament ausgeschlossen wurde.
Denn während sich Marine Le Pen vom französischen Rassemblement National gemässigt gibt und Richtung Mitte tendiert, droht die FPÖ wegen ihrer Nibelungentreue zur AfD im Europaparlament isoliert zu werden, sei es in einer kleinen Fraktion oder fraktionslos. Doch Teil einer grossen Fraktion zu sein, garantiert Einfluss, Geld und Redezeit.
Motive für kontraproduktive Taktik
«Kickl hat für sich als Taktik angenommen, sich nicht zu distanzieren und dem politischen Gegner keinen Sieg zu gönnen. Kickl hat die AfD als Schwesterpartei akzeptiert», analysiert Robert Treichler vom österreichischen Magazin «Profil». Er hat mit seinem Kollegen Gernot Bauer eine Biografie über den FPÖ-Chef Kickl publiziert. Auch an Reizbegriffen wie Bevölkerungsaustausch und Remigration halte Kickl fest.
Herbert Kickl war an einer internationalen Zusammenarbeit nie richtig interessiert.
Damit hat er in Umfragen und Wahlen Erfolg. Die Europawahl sei bloss ein Aufwärmen für die Parlamentswahl Ende September, ergänzt Gernot Bauer. «Herbert Kickl war an einer internationalen Zusammenarbeit nie richtig interessiert», schliesst Bauer.
Die FPÖ hat die europaweite Strategie noch nicht wirklich verstanden.
Damit hat die FPÖ einen entscheidenden Trend verpasst. Denn die rechtspopulistischen Parteien Europas, die lange nur auf die nationale Politik fokussiert waren, haben sich vernetzt. «Die FPÖ hat die europaweite Strategie noch nicht wirklich verstanden», bestätigt Robert Treichler.
Mögliche Regierungskoalitionen
Ein Sieg ohne Prämie ist auch bei der Parlamentswahl Ende September möglich. Die FPÖ liegt zwar laut Umfragen mit rund 30 Prozent fast uneinholbar in Führung. Aber aus heutiger Sicht sei es kaum vorstellbar, dass Herbert Kickl irgendeinen Partner finde, der ihn zum Bundeskanzler mache, sagt Bauer.
Analoges gilt bei der Wahl in der Steiermark. Kickl gebe sich unversöhnlich und dresche verbal auf alle Parteien ein, die für ihn Teil des verhassten Systems sind. Aber anders als bei der Europawahl habe die FPÖ auf nationaler Ebene einen Plan. Kickl erwarte nach der nächsten Wahl eine schwarz-rot-grüne oder schwarz-rot-liberale Dreierkoalition, eine Anti-FPÖ-Regierung.
«Dann kann Kickl sagen: ‹Seht ihr, die Elite und das System, vor denen ich immer gewarnt habe, findet sich ein letztes Mal zusammen, um mich und die FPÖ zu verhindern, obwohl wir vom Volk gewählt wurden›», ergänzt Treichler.
So macht Kickl einen klassisch rechtspopulistischen Wahlkampf nach dem Motto: Ich gegen alle und für das nicht genau definierte, vermeintliche Volk. «Ich spüre, dass ich der Staatsfeind Nummer 1 dieses Systems bin», ruft Kickl in Graz und denkt an übermorgen.