Die Zahlen: Die FPÖ ist erstmals stärkste politische Kraft in Österreich. Die Rechtspopulisten erreichten bei der Parlamentswahl im vorläufigen Endergebnis laut Innenministerium rund 29 Prozent der Stimmen. Dies ist ein Plus von 13 Prozentpunkten gegenüber 2019 und ihr historisch bestes Ergebnis. Die Kanzlerpartei ÖVP verlor gegenüber den letzten Wahlen rund 11 Prozent. Die SPÖ fiel leicht auf ein Rekordtief von 21 Prozent.
Der verhinderte Kanzler: Doch dem klaren Wahlsieger, Herbert Kickl, ist als FPÖ-Chef der Weg ins Kanzleramt wohl versperrt. Die konservative ÖVP als einziger denkbarer Koalitionspartner weigert sich weiter, mit dem rechten Politiker zusammenzuarbeiten.
Kickl sieht den historischen Wahlsieg seiner rechten Partei als Signal für einen Richtungswechsel in Österreich. «Der Wähler hat heute ein Machtwort gesprochen», sagte er in einer ersten Reaktion. Die Wähler hätten «ein klares Bekenntnis dafür abgegeben, dass es so nicht weitergehen kann in diesem Land.»
Die Koalition der Verlierer: Es gilt als wahrscheinlich, dass Kanzler Karl Nehammer den Auftrag bekommt, eine Regierungskoalition zu schmieden. Die Alternative zur FPÖ ist die SPÖ. Allerdings gilt ein Bündnis als schwierig, weil SPÖ-Chef Andreas Babler die Sozialdemokraten mit Forderungen wie der nach einer 32-Stunden-Woche weit nach links gerückt hat. Ob sich Babler angesichts des Ergebnisses im Amt halten kann, ist aber offen.
Die Zäsur: Das Wahlergebnis ist gleich in mehrfacher Hinsicht eine Zäsur für Österreich. Noch nie waren die machtverwöhnte ÖVP und die SPÖ zeitgleich so schwach. Die Sozialdemokraten erreichten erstmals nur Platz drei, die ÖVP an der Spitze verbuchte eines ihrer schlechtesten Wahlresultate.
Nach Erkenntnissen der Wahlforscher profitierte die FPÖ enorm von der grossen Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Österreich steckt in einer Wirtschaftsflaute, die Arbeitslosigkeit wächst. Zudem gehörte die Alpenrepublik in den vergangenen Jahren zu den Ländern in der EU mit besonders hoher Inflation. Ausserdem gilt der strikte Anti-Migrationskurs der FPÖ als populär.
Der Rechtsruck: Die deutlichen Zugewinne der FPÖ liegen im europaweiten Rechtstrend. Quer durch Europa haben rechte Parteien Zulauf bekommen, etwa in den Niederlanden Geert Wilders und seine rechtsradikale Partei für die Freiheit (PVV). In Deutschland erzielte die AfD grosse Erfolge bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. AfD-Chefin Alice Weidel schickte umgehend Gratulationen nach Wien:
Auch die italienische Rechtspartei Fratelli d'Italia (Brüder Italiens) mit Giorgia Meloni an der Spitze oder das rechtsnationale Rassemblement National (RN) mit Marine Le Pen in Frankreich erfreuen sich grossem Zuspruch.
Das Programm: In ihrem Wahlprogramm hatte die FPÖ unter dem Motto «Festung Österreich – Festung Freiheit» für eine extrem restriktive Migrationspolitik geworben. Die Partei fordert eine Rückführung von Migranten in ihre Heimatländer und wünscht sich als Gegenentwurf zur international vielfach angestrebten Diversität «Homogenität» in der Gesellschaft.
Aussenpolitisch sieht die FPÖ die EU äusserst kritisch. Gegenüber Russland fährt sie trotz des Ukraine-Kriegs einen eher wohlwollenden Kurs und sieht kein Problem in der Abhängigkeit Österreichs von russischem Gas. Unter Kickls Ägide hat die FPÖ auch ihre Distanz zu den als rechtsextrem eingestuften Identitären aufgegeben.