«Die militärische Spezialoperation in der Ukraine wird das Hauptthema sein», sagte der Moderator vor der Pressekonferenz des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Es war der erste solche Anlass seit Beginn des Angriffs auf den Nachbarn, zuvor hatte Putin jährlich Fragen von Menschen aus ganz Russland beantwortet.
Im Vorfeld fragten sich Beobachtende, ob er auf die realen Sorgen in der Bevölkerung zum Krieg eingehen würde.
Milde Kritik und viel Lob
Putins Pressekonferenzen sind akribisch inszeniert, die Fragen und Teilnehmenden werden vorher abgesegnet. Trotzdem wurde Putin gefragt, ob es eine neue Mobilmachung geben würde. Die letzte, im Herbst 2022, hatte grossen Unmut in Russland ausgelöst. Doch eine Neuauflage sei nicht nötig, so Putin, denn es meldeten sich wöchentlich tausende Freiwillige – eine eher abenteuerliche These angesichts der andauernden Rekrutierung in Gefängnissen und unter armen Arbeitsmigranten.
Gab es Kritik, blieb sie mild und punktuell – man solle etwa die Versorgung von Veteranen vereinheitlichen, hiess es von einem Soldaten. Von vielen anderen gab es demonstratives Lob: Ein Journalist aus dem von Russland besetzten und annektierten ukrainischen Gebiet Donbass gab an, er habe keine Fragen, er wolle sich bloss dafür bedanken, dass seine Region nun zu Russland gehöre.
Frieden wird es erst geben, wenn wir unser Ziel erreicht haben: die Demilitarisierung und Denazifizierung der Ukraine.
Putin gab sich betont locker und selbstsicher, er frohlockte über die gescheiterte ukrainische Gegenoffensive und liess durchblicken, dass er auf die Kriegsmüdigkeit im Westen zählt. Denn er hält am Maximalziel eines Sieges über die Ukraine fest: «Frieden wird es erst geben, wenn wir unser Ziel erreicht haben: die Demilitarisierung und Denazifizierung der Ukraine», sagte er. An Verhandlungen scheint er kaum interessiert.
Das wird nicht bei allen Russinnen und Russen gut angekommen sein. Kriegsmüdigkeit gibt es auch in Russland. Dazu hatte Putin der Bevölkerung neben Stabilität und einer Rückkehr zu alter Grösse durch militärische Macht wenig zu bieten: Das Gespräch mit dem Präsidenten war weitgehend trocken, grosse Ankündigungen oder Versprechen blieben aus.
Sorgsame Auswahl der Fragen
Dennoch zeigte Putins Pressekonferenz auch, dass er fest im Sattel sitzt. Viele Russinnen und Russen sind weiterhin bereit, beim jährlichen Ritual der harmlosen Fragen an den Präsidenten mitzumachen.
An Bildschirmen im Studio wurden gelegentlich etwas schärfere Meldungen eingeblendet, die Menschen per SMS eingeschickt hatten, etwa: «Wann werden wir anfangen, besser zu leben?» Doch auch diese werden von den Regisseuren von Putins Auftritten sorgfältig ausgewählt, um den Eindruck der Meinungsvielfalt zu vermitteln. Putin selbst ging auf die SMS nicht ein.