Wie geht es in Österreich weiter? Der designierte Nachfolger und langjährige Berater von Kanzler Kurz, Aussenminister Alexander Schallenberg, traf am Sonntagmittag Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Davor war ein Vieraugen-Gespräch zwischen Schallenberg und dem Chef der mitregierenden Grünen, Vizekanzler Werner Kogler, geplant. Schallenberg soll laut Präsidentschaftskanzlei bereits am Montag um 13 Uhr als neuer Kanzler Österreichs vereidigt werden.
Ist Österreichs Regierungskrise damit beendet? Kurz' Rücktritt hat den Weg für die Fortsetzung der Koalition aus konservativer ÖVP und Grünen freigemacht. Es gehe jetzt darum, mit dem designierten Kanzler Schallenberg in der Koalition ein «neues gemeinsames Kapitel» aufzuschlagen, sagte Grünen-Chef und Vizekanzler Werner Kogler am Sonntagabend. Das jüngste Treffen mit Schallenberg stimme ihn zuversichtlich. Auch Bundespräsident Van der Bellen bezeichnete die Regierungskrise als beendet.
Wer ist der designierte Kanzler Schallenberg? Der 52-jährige EU-Experte und Chefdiplomat arbeitete jahrelang in führenden Positionen im Aussenministerium und wurde 2019 Aussenminister. Er kennt als Kurz' jahrelanger Berater die Mechanismen im Machtzentrum der Republik und bringt Verhandlungsgeschick mit, um die Wogen zu glätten, die durch Korruptionsvorwürfe ausgelöst wurden. Die spezielle Färbung seiner Sprache verrät Schallenbergs Abstammung aus ehemaligem österreichischen Adel. Er wurde in Bern geboren und wuchs in Indien, Spanien und Frankreich auf. Die französischen Floskeln, die er im Gespräch oft einbaut, verstärken das Flair eines Diplomaten alter Schule. Hinter der Weltgewandtheit steht ein Politiker mit klaren Ansichten.
Welche politische Haltung und was für Ziele hat Schallenberg? Alexander Schallenberg steht wie ÖVP-Parteikollege Kurz für eine restriktive Migrationspolitik. Als die mitregierenden Grünen 2020 die Aufnahme von Flüchtlingen aus dem abgebrannten Lager auf der griechischen Insel Lesbos forderten, sagte Schallenberg: «Das Geschrei nach Verteilung kann nicht die Lösung sein.» Diesen Sommer meinte er, dass lokale Mitarbeiter von EU-Vertretungen in Afghanistan besser in Nachbarländer als nach Europa evakuiert werden sollten. Schallenberg setzt sich auch für die Erweiterung der EU auf dem Westbalkan ein, um dem Einfluss Russlands und Chinas in der Region einen Riegel vorzuschieben.
Was sagt Schallenberg zu seinem neuen Amt? Der ÖVP-Politiker bezeichnete den Wechsel ins Kanzleramt am Sonntag als «enorm herausfordernde Aufgabe». «Es ist nicht leicht, für keinen von uns, aber ich glaube, wir zeigen ein unglaubliches Mass an Verantwortung für dieses Land», sagte Schallenberg. Zur Regierungsarbeit wollte er sich vorerst nicht äussern. Erst nach seiner Vereidigung wolle er vor die Öffentlichkeit treten, sagte er.
Was geschieht mit Sebastian Kurz? Nach seinem Rücktritt als Bundeskanzler will Kurz ÖVP-Chef bleiben und als Fraktionschef ins Parlament wechseln. Der 35-Jährige werde als «Schattenkanzler» weitermachen, kritisierte die Chefin der sozialdemokratischen SPÖ, Pamela Rendi-Wagner. Die Staatsanwaltschaft verdächtigt enge Mitstreiter von Kurz, ihm den Weg an die Parteispitze und ins Kanzleramt mit gekaufter Medienberichterstattung geebnet zu haben. Kurz war aus Sicht der Ermittler an der Korruption beteiligt. Er bestreitet die Vorwürfe. Die Opposition will die Korruptionsvorwürfe in einem Untersuchungsausschuss aufarbeiten.