- Trotz der Regierungskrise in Österreich sieht Bundeskanzler Sebastian Kurz weiterhin keinen Grund für einen Rücktritt.
- Er und seine Partei seien «handlungsfähig und vor allem auch handlungswillig», sagte Kurz am Freitagabend.
- Die Grünen, Koalitionspartner von Kurz' ÖVP, distanzieren sich aber inzwischen sehr deutlich vom Bundeskanzler. Parteichef Werner Kogler bezeichnete Kurz in einer Stellungnahme am Abend als «nicht mehr amtsfähig».
Es werde immer deutlicher, «dass es im Machtzentrum der ÖVP ein erschütterndes, ein erschreckendes, ja eigentlich ein schauerliches Sittenbild gibt», sagte Grünen-Parteichef und Vizekanzler Kogler.
Am Freitag führten die Grünen Gespräche mit allen Parlamentsparteien, um künftige Kooperationsmöglichkeiten auszuloten. Für eine mögliche Mehrparteienregierung ohne ÖVP bräuchten die Grünen allerdings nicht nur die Stimmen der sozialdemokratischen SPÖ und der liberalen Neos, sondern auch jene der FPÖ. Die Rechten vertreten jedoch völlig andere Positionen in Sachen Umwelt, Migration und Pandemiebekämpfung als die drei anderen Parteien.
Bundespräsident: «Österreich kann sich jetzt keine Egoismen leisten»
Vor Kurz und Kogler hatte Bundespräsident Alexander Van der Bellen alle politischen Akteure aufgefordert, jetzt an das Wohl des Landes und nicht an eigene Interessen zu denken. «Österreich kann sich jetzt keine Egoismen leisten», sagte das Staatsoberhaupt in einer kurzen Rede an die Nation. Parteiinteressen müssten hintangestellt werden. Allerdings, betonte er: Man wisse nicht, ob diese Ermittlungen zur Anklage führen werden. Bis dahin gelte die Unschuldsvermutung.
Sondersitzung am Dienstag
Kurz geniesst weiterhin den Rückhalt seiner Partei, der ÖVP. Am kommenden Dienstag will die Opposition bei einer Sondersitzung des Parlaments einen Misstrauensantrag gegen Kurz einbringen. Aufgrund der bisherigen Äusserungen gilt es als wahrscheinlich, dass die Grünen dem Sturz von Kurz zustimmen, falls er nicht doch noch zuvor zurücktritt.
Kurz wurde schon einmal per Misstrauensvotum aus dem Amt gedrängt: Im Mai 2019 stimmte eine Mehrheit im Parlament gegen den ÖVP-Chef und seine gesamte Regierung. Damals folgten Neuwahlen, die Kurz und seine Partei deutlich gewannen.