Berlin sieht aus wie ein falsch gefärbtes Spiegelei: innen grün, aussen schwarz. Dies hat die Wiederholungswahl im Februar politisch ergeben. Die trendigen, bunten Bezirke im Zentrum, Mitte, Prenzlauer Berg und Friedrichshain-Kreuzberg etwa, die gerade auch viele Zugereiste so mögen, sie stehen nicht für «den Neuen» im Roten Rathaus. Aber die vielen Aussenbezirke, Lichtenberg, Reinickendorf, Spandau und zig andere, sie alle haben Kai Wegner gewählt. Fahrradstrassen sind dort wenig beliebt, genauso wie Zoff und ideologischer Streit in der ehemaligen Regierung aus SPD, Grünen und der Linken.
Kai Wegner: ein fleissiger Netzwerker
Auf den konservativen Kai Wegner aus Spandau hätten wenige gewettet. Aber er gilt als guter Netzwerker und hat es geschafft, die Berliner CDU zusammenzuführen. Vor über 20 Jahren warb er mit «dynamisch, demokratisch, deutsch», doch er sei nicht mehr der Hardliner von früher, versichert er. Tatsächlich konnte er die zerstrittene SPD als Koalitionspartnerin mit vielen Zugeständnissen gewinnen.
Kai Wegner war hier der Pragmatiker, den sich viele wohl gewünscht haben. Das Regierungsteam ist überraschend divers, mit einer deutlichen Frauenmehrheit. Da gelingt eine Überraschung, die von vielen Seiten Lob erhält.
Die Vorgängerin im Seitenwagen
Franziska Giffey dankt nach nur 1.5 Jahren als Bürgermeisterin ab, weil die Wahl nach dem totalen Chaos im Februar wiederholt werden musste. Giffey hatte zuvor Plagiate in ihrer Doktorarbeit weggelächelt und sich aus der Bundesregierung nach Berlin abgesetzt. Nun aber hat das Wahlvolk die SPD abgestraft, und Giffey wäre dabei beinahe aus der Kurve gespickt worden. Doch sie krabbelt nun, als Juniorpartnerin der CDU, wieder auf einen Regierungsposten – dieses Mal im Seitenwagen. Ihre SPD bleibt tief gespalten. Viele goutieren die Regierung mit der CDU nicht.
«Das Beste für Berlin» – oder einfach nur mal was Solides?
Diese schwarz-rote Regierung verspricht nichts weniger als «das Beste für Berlin». Das dürfte viel zu hoch gegriffen sein, wo doch eine solid funktionierende Stadt schon sehr viel wäre. Denn: Egal, ob Prenzlauer Berg oder Lichtenberg – alle möchten sie in Berlin eine zuverlässige Verwaltung, bezahlbaren Wohnraum und Schulen, die allen eine faire Chance ermöglichen.
Kai Wegner sei eine Nummer zu klein für die Stadt, sagen Kritiker. Aber die Probleme der Stadt wären wohl für alle eine Nummer zu gross. Die SPD hatte lange ihre Chance gehabt im Roten Rathaus. Jetzt kann die CDU zeigen, ob sie hinbekommt, was sie verspricht.