- Von der Öffentlichkeit unbemerkt läuft derzeit am UNO-Hauptsitz in New York ein Tauziehen von grosser Tragweite.
- Auslöser ist, dass sich der burmesische UNO-Botschafter losgesagt hat von den regierenden Putsch-Generälen in Myanmar. Sie wollen ihn durch einen regimetreuen Gefolgsmann ersetzen.
- Gelingt ihnen das, wäre es ein grosser Schritt auf dem Weg zur internationalen Anerkennung des Militärregimes.
Es gibt keinerlei Zweifel, dass der Putsch der burmesischen Generäle Anfang Februar illegal war. Laut UNO-Generalsekretär António Guterres haben «Staatsstreiche in der heutigen Welt nichts zu suchen. Die Burmesinnen und Burmesen verdienen besseres.» Die UNO sieht nach wie vor die vom Volk gewählte Regierung der gestürzten Aung San Suu Kyi als legale Repräsentantin von Myanmar.
Die UNO-Generalversammlung verabschiedete im Juni mit 116 zu einer Stimme eine Resolution, die einen demokratischen Übergang in Myanmar verlangt. Zahlreiche burmesische Botschafter im Ausland, in London, in Washington, in Berlin und – am wichtigsten – jener bei der UNO gingen inzwischen auf Distanz zum Militärregime.
Gegenüber SRF erklärte Kyaw Moe Tun im Frühjahr: «Ich kämpfe entschlossen gegen das Militärregime – bis zu dessen Ende.» Die Militärführung hat ihn inzwischen für abgesetzt erklärt. Sie fordert gar, dass ihn die USA ausliefern an Myanmar, wo er wegen Hochverrats angeklagt würde. Die Generäle wollen ihn am UNO-Hauptsitz ersetzen durch den ihnen gegenüber loyalen Ex-Militär Aung Thurein. Noch aber ist Kyaw Moe Tun Myanmars rechtmässiger UNO-Vertreter.
Frage von weitreichender Bedeutung
Es geht bei dieser Entscheidung um viel, um Prinzipielles. Nämlich darum, ob die burmesische Junta diplomatisch aufgewertet wird oder eben nicht. Und ob allenfalls gar die Nationale Einheitsregierung im Exil, die sich dem Militärregime widersetzt, als rechtmässige Regierung anerkannt wird. Das erläutert Chris Gunness, früher BBC-Korrespondent und heute Chef des Myanmar Accountability Project, einer NGO, die sich für ein demokratischeres Myanmar einsetzt.
Das «Myanmar Accountability Project»
Zwei fundamental unterschiedliche Sichtweisen stünden einander gegenüber. Es geht um die Grundsatzfrage, wann eine Regierung international anerkennt wird. Laut der einen Sichtweise ist eine Regierung dann anzuerkennen, wenn sie ein Territorium tatsächlich kontrolliert, egal wie undemokratisch sie an die Macht gelangte. Deshalb repräsentieren die Vertreter von Regimen wie jenen in Nordkorea, Syrien, Iran oder Saudi-Arabien ihr Land auf der UNO-Bühne.
Ich kämpfe entschlossen gegen das Militärregime – bis zu dessen Ende.
Dem entgegen steht eine UNO-Resolution von 1950. Sie fordert, es seien bei der Beglaubigung von Botschafterernennungen die Prinzipien der UNO-Charta, darunter Demokratie und Menschenrechte, zu berücksichtigen. Es gibt bereits Präzedenzfälle.
Schon 1970 verweigerte die UNO dem vom südafrikanischen Apartheid-Regime portierten Botschafter die Beglaubigung, weil er nicht repräsentativ sei für die Gesamtbevölkerung Südafrikas. 1991 lehnte die UNO im Fall von Haiti und 1996 im Fall von Sierra Leone den Repräsentanten der jeweiligen Putschisten ab.
Die Sache ist also alles andere als klar – und es wird sich weniger um eine völkerrechtliche als um eine politische Entscheidung handeln, sagt Gunness. Für die Putschgeneräle geht es darum, ob die Welt sie weiterhin als Unrechtsregime betrachtet oder ob sie es schaffen, akzeptiert zu werden. Die internationale Gemeinschaft wiederum muss sich äussern zur Schlüsselfrage, wann eine Regierung legitim ist und wann nicht.