Das Dorf Than Taw Li könnte auch eine Insel sein. Keine Strasse führt hinein, es gibt keine Strom- oder Wasserleitung. Ein Bewohner, Faizul, rudert die Besucher über einen Wassergraben zum Dorf. Auf drei Seiten des Dorfes liegen zwar Felder, aber das sei Feindesland, sagt Faizul.
Er zeigt über ein abgeerntetes Reisfeld auf ein paar Hütten. «Dort drüben liegt das Dorf der buddhistischen Rakhine. Im Juni 2012 haben sie unser Rohingya-Dorf angegriffen, unterstützt von Mönchen, Soldaten, Polizisten und Extremisten.»
«Wir leben in ständiger Angst»
Than Taw Li sei damals zur Hälfte abgebrannt worden, drei Dorfbewohner wurden getötet, erinnert sich Osman Ali, ein älterer Mann mit hennarot gefärbtem Bart. «Wir bauten das Dorf wieder auf, aber seither haben wir keinen Kontakt mehr zu unseren buddhistischen Nachbarn und die Regierung hat uns noch mehr eingeschränkt.»
Than Taw Li besteht aus einfachen Bambushütten. In den schlammigen Strassen spielen Kinder mit Steinen. Wenn ein Kind krank werde, sei es schwierig, es in ein Spital zu bringen, sagt Osmans Frau, die von einem Brunnen Wasser geholt hat. «Es gibt Checkpoints und wenn sie merken, dass wir Rohingya sind, lassen sie uns oft nicht durch. Wir leben in ständiger Angst.»
Früher Freunde – heute kein Kontakt mehr
Wie schwierig das Zusammenleben von muslimischen Rohingya und buddhistischen Rakhine mittlerweile ist, wird beim Besuch in Than Taw Li und dessen buddhistischem Nachbardorf klar. Von Friede und Versöhnung kann keine Rede sein.
Die Angst ist auch bei den buddhistischen Nachbarn zu spüren. Dort haben die Bewohner zwar Strom und können sich frei bewegen, aber ihre Geschichten lassen aufhorchen. «Vor sechs Jahren kamen die Muslime aus Than Taw Li am Abend mit Messern und Taschenlampen bewaffnet in unser Dorf. Wir haben uns mit den Kindern im Kloster versteckt, während uns die Männer verteidigten», erzählt Them Thein May, die lokale Krankenschwester.
Auch in ihrem Dorf wurden vier Männer getötet und auch sie sagt, das habe alles verändert zwischen den beiden Dörfern. «Früher kamen die Muslime hierher, um ihren Fisch oder ihr Gemüse zu verkaufen. Wir waren Freunde. Heute gibt es keinen Kontakt mehr. Natürlich wollen wir alle, dass es wieder so wird wie früher, aber das ist nicht möglich. Wir trauen ihnen nicht mehr.»
Schwindender Glaube an Frieden
Dass Hunderte von Rohingya-Frauen im aktuellen Konflikt vergewaltigt, hunderttausende Menschen gewaltsam vertrieben und ihre Häuser niedergebrannt wurde, will im Dorf der Buddhisten niemand hören. Das sei alles gelogen, sagt Tayzaniya, der lokale Mönch. «Die Muslime haben ihre Häuser selbst abgebrannt, weil sie der Welt zeigen wollten, dass wir böse sind. Buddhisten machen so was nicht, wir vergewaltigen und morden auch nicht. Das machen die Muslime.»
Für den Mönch, genauso wie für viele andere Burmesen, gibt es keine Rohingya. Das seien eingewanderte Bengalen aus Bangladesch, bloss Gäste in Burma. Wollen sie bleiben, dann müssten sie sich unterwerfen und anpassen. Gelogen sei, was seine muslimischen Nachbarn sagen, dass sie seit Generationen hier wohnten.
Was aber macht der Mönch, um den Frieden zu fördern, der einst das Zusammenleben zwischen den beiden Religionsgemeinschaften möglich gemacht hatte? «Nichts. Ich glaube an Friede, aber wir sind zu unterschiedlich. Muslime wollen andere töten. Jederzeit könnten sie uns wieder angreifen.»
Keine guten Vorzeichen für Rückkehrer
So verharren beide Dörfer in ihren eigenen und doch so gleichen Ängsten. Unfähig zu vergeben und Gemeinsamkeiten statt Unterschiede zu sehen. Sechs Jahre nach dem letzten gewaltsamen Aufeinandertreffen sind die Gräben tiefer denn je.
Das sind keine guten Vorzeichen für eine friedliche Rückkehr der Flüchtlinge aus Bangladesch. Zumal ihre Dörfer noch nach verbranntem Holz riechen – die Wunden noch frisch sind.