- In Israel hat Minister Benny Gantz seinen Rücktritt aus dem Kriegskabinett von Premierminister Benjamin Netanjahu angekündigt.
- Grund für den Rücktritt sind Meinungsverschiedenheiten über die Zukunft des Gazastreifens.
- Zuvor hatte Netanjahu Gantz darum gebeten, in der Regierung zu bleiben.
«Wir verlassen heute die Notstandsregierung, mit schwerem, aber von ganzem Herzen», sagte Gantz am Abend vor Journalisten. Der 65-jährige Ex-Verteidigungsminister warf Netanjahu und dessen Vertrauten «Zögerlichkeit und Zeitschinderei aus politischen Erwägungen» vor.
Er forderte, Israel müsse alles unternehmen, um das von US-Präsident Joe Biden unterstützte Abkommen für eine Feuerpause und die Befreiung der Geiseln im Austausch gegen palästinensische Häftlinge umzusetzen. Israel müsse sich auf jahrelange Kämpfe einstellen, warnte er.
Gantz entschuldigte sich bei den Angehörigen der Geiseln. Es sei bisher nicht gelungen, die Entführten zurückzuholen – auch er trage einen Teil der Verantwortung dafür. Ausserdem sprach Gantz sich für «ein regionales Bündnis gegen den Iran mit den USA und der westlichen Welt» aus. Er forderte von Netanjahu, einen Termin für Neuwahlen festzulegen.
Gantz hatte seinen Kabinettsaustritt bereits angedroht. Das von Gantz vor einigen Wochen an Netanjahu gestellte Ultimatum für einen Plan zum Gazastreifen war am Samstag ausgelaufen. Wegen der dramatischen Befreiung von vier Geiseln aus dem Gazastreifen am gleichen Tag verschob er jedoch eine geplante Pressekonferenz in letzter Minute.
Rücktritt stürzt Regierung nicht
Mit dem Rücktritt wird Israels Führung aber nicht stürzen. Netanjahus rechtsreligiöses Kabinett verfügt auch ohne Gantz' Partei weiterhin über eine Mehrheit von 64 von 120 Sitzen im Parlament. Die Zeitung «Times of Israel» schrieb, Netanjahu sei ohne Gantz' Unterstützung noch anfälliger für die Forderungen seiner rechtsreligiösen Koalitionspartner, die etwa ein noch härteres Vorgehen gegen die Hamas im Gazastreifen fordern.
Gantz war nach dem Angriff der Hamas am 7. Oktober als Minister ohne Ressort in Netanjahus Regierung eingetreten, um ein Zeichen der Geschlossenheit setzen. An sich ist die von Gantz geführte Zentrumspartei Nationale Union in der Opposition.
USA plädierten für Verbleib
Medien zufolge wollten die USA, dass Gantz im Kabinett bleibt, solange die Verhandlungen um ein Geiselabkommen und eine Feuerpause andauerten. Da Netanjahus rechtsreligiöse Koalitionspartner gegen einen Deal sind, sei Gantz‘ Anwesenheit in der Notstandsregierung für den Erfolg eines Abkommens von grosser Bedeutung.
In Israel, aber auch bei seinen internationalen Partnern, gibt es Diskussionen über die zukünftige Verwaltung des Gazastreifens. Den USA schwebt etwa vor, dass die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) dereinst die Kontrolle im Küstenstreifen übernimmt. Netanjahu lehnt dies ab.
Netanjahu verweigert sich einem Plan
Der israelische Premier weigert sich bislang, einen Plan für die Zukunft des Gazastreifens nach Kriegsende vorzulegen, wohl auch, um seine ultrarechten Koalitionspartner nicht vor den Kopf zu stossen. Diese verfolgen Ziele wie einen höchst umstrittenen israelischen Siedlungsbau im Gazastreifen. Netanjahus politisches Überleben hängt aber von ihnen ab.
Medien mutmassten, Grund für Gantz' Rückkehr in die Opposition könnte auch seine sinkende Popularität sein. Sein Vorsprung in Meinungsumfragen gegenüber Netanjahu ist zuletzt geschrumpft.