SPD-Partei und Fraktionschefin Andrea Nahles gibt alle ihre Ämter ab und wird auch den Bundestag verlassen. Die Sozialdemokraten hoffen einmal mehr, mit Personalwechseln den Niedergang aufzuhalten.
Sie habe mit der Vertrauensfrage als SPD-Fraktionsvorsitzende am kommenden Dienstag Klarheit schaffen wollen, schrieb Nahles in ihrem schriftlichen Statement von heute Morgen. Diese Klarheit habe sie aber bereits diese Woche erhalten, «der notwendige Rückhalt ist nicht mehr da». In der Tat: Sowohl Medien als auch Parteigenossen hatten in den letzten Tagen aus vollen Rohren über und unter die Gürtellinie gegen die erste Frau an der Spitze der SPD geschossen – Solidarität von Frauenseite gab es nicht.
Gnadenlose SPD
Denn Nahles hatte den Niedergang der SPD nicht aufhalten können. Und dafür gibt es bei der SPD keine Gnade. Nicht einmal in der traditionell disziplinierten Fraktion hatte sie offenbar einen sicheren Rückhalt. Nahles beging auch gravierende taktische Fehler, zum Beispiel in der Affäre um den inzwischen zurückgetretenen Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maassen.
Seit September 2017 führt Nahles die Fraktion, erst seit April 2018 auch noch die Partei. Das Ergebnis bei der Europawahl vom vergangenen Wochenende war das schlechteste deutschlandweite Resultat seit 1887. Bei der Bürgerschaftswahl in Bremen, dem kleinsten Bundesland, wurde sie zum ersten Mal seit 73 Jahren von der CDU geschlagen. Beide Wahlen waren zwar kein Verdikt auf Bundesebene, aber ein Fiebermesser für die SPD.
Nachfolger von Nahles gesucht
Nun sollen einmal mehr neue Köpfe die SPD retten. Offizielle Kandidaturen gibt es noch nicht. Möglich wäre, dass der krachend gescheiterte Kanzlerkandidat von 2017, Martin Schulz, die Fraktion und Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz, die Parteiführung übernimmt. Scholz möchte Kanzlerkandidat werden.
Eine mögliche Kandidatin ist auch die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern Manuela Schwesig. Als Übergangskandidatin für den Parteivorsitz wird die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz Malu Dreyer gehandelt, als gesundheitlichen Gründen wird sie sich möglicherweise nur temporär für dieses Amt zur Verfügung stellen.
Was heisst das für die Grosse Koalition?
Andrea Nahles hatte die Grosse Koalition an einem Parteitag anfangs 2018 geradezu herbei geschrien und massgeblich ein Ja zur sogenannten «Groko» durchgesetzt. Ob die künftige SPD-Führung den Mut hat die Grosse Koalition zu verlassen, weiss sie wahrscheinlich noch selbst nicht. Wie so oft putscht die SPD auch diesmal ohne klaren Plan für die Zukunft. Ein Parteitag, der darüber befinden könnte, sei aus Fristengründen nicht vor dem Herbst möglich, heisst es.
Wie aber nur mit neuem Personal die extrem schwierigen Landtagswahlen im Herbst überlebt werden sollen, ist mehr als fraglich. Für die SPD rächt sich, dass sie 2018 den Fehler machte und doch noch in eine Grosse Koalition eingetreten war.