Tote russische Soldaten kämpfen länger. Zumindest jene, die im Ersten Weltkrieg ihr Leben gelassen haben und heute im Osten der Slowakei auf dem Friedhof von Ladomirová liegen. Sie hat Russland im September noch einmal in eine Schlacht geschickt, eine Informationsschlacht.
Auf Facebook schrieb die russische Botschaft, der Vorsteher des ostslowakischen Dorfes Ladomirová lasse die Gräber der russischen Soldaten zerstören. Der höchste Strafverfolger der Slowakei – schon früher mit Kreml-freundlichen Aktionen aufgefallen – reagierte umgehend: Er werde die Schändung untersuchen.
Aber die Gräber in Ladomirová sind unberührt. Der Facebook-Post der russischen Botschaft war eine Lüge. Der Ortsvorsteher, die Polizei und slowakische Politiker korrigierten sie. Und doch machte die Lügengeschichte in den sozialen Medien die Runde. Der Ortsvorsteher erhielt Morddrohungen.
Marian Majer, Vize-Verteidigungsminister der Slowakei, machen solche Geschichten Sorgen: «Teile der slowakischen Gesellschaft sind unter dem direkten Einfluss von russischen Desinformationskampagnen.» Diese hätten das Ziel, das kleine Nachbarland der Ukraine zu destabilisieren.
Fake News sind Mainstream geworden.
Tomáš Kriššák, der im Auftrag von Unternehmen, der Regierung und internationalen Organisationen Fake News analysiert, ergänzt: «Die Slowakei ist das Hauptziel russischer Manipulation in Europa. Fake News sind Mainstream geworden.»
Grosses Misstrauen gegenüber dem Staat
Dass gerade die Slowakei so anfällig ist für russische Desinformationskampagnen, hat historische Gründe: Schon vor dem Zweiten Weltkrieg gab es dort viel Sympathie für Russland. Und in jüngerer Vergangenheit folgten auf die Jahrzehnte unter den Kommunisten eine Reihe von korrupten Regierungen.
So ist das Misstrauen gegenüber dem Staat und damit die Empfänglichkeit für Verschwörungstheorien so gross wie wohl nirgendwo sonst in der EU. Populistische Politiker von links bis rechts nutzen das aus. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Verbreitung von Desinformation.
Andere Themen werden verdrängt
Die Friedhofsgeschichte sei typisch dafür, wie Desinformation in der Slowakei funktioniere, sagt der Experte für Informationsanalyse. Eine Falschmeldung, hinter der Russland steckt, wird von lokalen Sympathisanten weiterverbreitet. Andere Themen, wie russische Kriegsverbrechen in der Ukraine, werden verdrängt.
Möglich sei das nur, weil die Putin-kritische Regierung der Slowakei zu wenig offensiv kommuniziere, meint Kriššák. «Die Regierung könnte mehr tun», gibt auch Vize-Verteidigungsminister Majer zu. «Andererseits machen wir schon mehr als irgendeine Regierung vor uns. Wir investieren viel Geld, um besser auf Fake News reagieren zu können.»
Wenn man auf eine Falschmeldung reagieren muss, ist es eigentlich schon zu spät.
Das Problem mit Fake News: Richtigstellungen blieben praktisch folgenlos, sagt Kriššák. «Wenn man auf eine Falschmeldung reagieren muss, ist es eigentlich schon zu spät.»
Auch der bei vielen traditionellen Medien beliebte Faktencheck hält der Experte für ziemlich sinnlos. Er glaubt: «Faktenchecks sind nur deshalb so beliebt, weil sie nicht kontrovers sind.» Kriššák fordert ein Gesetz, das der Regierung erlaubt, Desinformationskanäle zu verbieten.
Das wäre aber Zensur. «Schon, aber daran führt, zumindest in der Slowakei, kein Weg vorbei», sagt der Spezialist für den Kampf gegen Desinformation. «Wir müssen strategisch vorgehen und die Wahrheit lauter machen als die Lügen.»