Die Gerüchte um den Ursprung des neuartigen Coronavirus reissen nicht ab: Demnach soll Sars-CoV-2 möglicherweise aus einem chinesischen Labor in der Nähe der Stadt Wuhan entwichen sein.
So berichtete die «Washington Post» letzte Woche, dass US-Diplomaten das Institut für Virologie in Wuhan 2018 besucht hätten. Danach hätten sie eine Warnung an die Regierung in Washington geschickt, wonach in dem Labor die Sicherheitsvorkehrungen ungenügend seien.
Trotzdem hält es SRF-Wissenschaftsredaktorin Katrin Zöfel für sehr unwahrscheinlich, dass das neuartige Coronavirus aus dem fraglichen Labor stammt.
SRF News: Was spricht für die These, dass Sars-CoV-2 aus dem chinesischen Labor bei Wuhan entwichen sein könnte?
Katrin Zöfel: Ein Fehler kann überall passieren. Aber das betreffende Labor ist eine Forschungseinrichtung mit der Bio-Sicherheitsstufe 4, dem höchsten internationalen Sicherheitsstandard, übrigens die einzige dieser Art in China. Die Vorkehrungen im Labor sind extrem und die dort arbeitenden Leute sind sicher sehr gut trainiert.
Die Laborleiterin kam zum Schluss, dass das Virus nicht aus ihrem Labor stammt.
Wenn man zurückschaut, ging ein kleiner Sars-Ausbruch in Peking 2004 tatsächlich auf einen menschlichen Fehler zurück. Allerdings war das damals betroffene Labor lange nicht so gut gesichert wie das bei Wuhan. Die Leiterin des jetzt in Verdacht geratenen Labors prüfte nach Auftauchen von Sars-CoV-2 umgehend, ob die Viren, die sie in ihrem Labor untersucht, diesem gleichen. Darüber sprach sie mit dem «Scientific American». Sie fand keine Übereinstimmung und war entsprechend erleichtert.
Wie wahrscheinlich ist es grundsätzlich, dass ein Unfall wie 2004 in Peking passiert?
Unter den Sicherheitsvorkehrungen des Labors bei Wuhan ist das zwar möglich, aber sehr unwahrscheinlich. Man muss auch sehen: So, wie es 2018 eine Warnung von US-Diplomaten zum Labor bei Wuhan gab, gab es ein Jahr später eine solche von Forschern. Sie warnten davor, dass Viren von Fledermäusen auf Menschen übergehen und eine Epidemie wie Sars oder schlimmer auslösen könnten.
HIV kam von Primaten, Ebola kam von Flughunden. Immer wieder springen Viren von Tieren auf Menschen über.
Die Forscher stellten fest, dass es keine Frage sei, ob das passiere, sondern vielmehr, wann das der Fall sein werde. Bekannt ist zudem: HIV kam von Primaten, Ebola kam von Flughunden. Immer wieder springen Viren von Tieren auf Menschen über. Bloss ist es sehr selten, dass das derartig schwerwiegende Folgen hat, wie bei HIV oder Ebola, oder eben dem, was wir jetzt mit Sars-CoV-2 sehen.
Wenn die Wahrscheinlichkeit derart klein ist, dass das Virus aus einem Labor stammt – was weiss man gesichert über die Herkunft des Virus?
Noch ist die Herkunft nicht geklärt. Das wird erst der Fall sein, wenn man genau dieses Sars-CoV-2-Virus in Tieren findet. Bis jetzt weiss man bloss, dass nahe Verwandte dieses Erregers in Fledermäusen, Schuppentieren oder Katzen vorkommen.
Den Ursprung des Sars-Virus fand man erst 15 Jahre nach dem Ausbruch von 2002.
Dass die Suche aber einige Zeit dauern kann, zeigt das Beispiel des Sars-Virus, das 2002/2003 für eine Epidemie mit weltweit über 770 Todesopfern gesorgt hatte. Dessen Ursprung fand man erst 2017, als Forscher genau dieses Virus in einer Fledermaushöhle fanden.
Das Gespräch führte Nicoletta Cimmino.