Seit die Zahlen am Dienstagnachmittag publiziert wurden, ist eine Debatte ausgelöst worden, ob überhaupt Vergleiche mit anderen Staaten zulässig sind. Misst man die Anzahl Corona-Toter pro 100'000 Einwohnern, führen Spanien und Belgien die traurige Tabelle an, Grossbritannien liegt aber bereits auf Platz drei. Jedes Land berechnet zudem die Todeszahlen durch Corona anders, deshalb sind sinnvolle Vergleiche wohl erst in einigen Monaten möglich.
Es kratzt am britischen Stolz
Doch Grossbritannien ist auch ganz vorne bei den Berechnungen der Übersterblichkeit. Diese Zahlen gelten als aussagekräftiger für Vergleiche.
Vielleicht ändert sich das Bild nochmals in den kommenden Monaten, doch im Moment zählt der Leistungsausweis der Briten im Kampf gegen die Coronakrise zu den schlechtesten in Europa. Und das ist nicht nur schrecklich, sondern kratzt auch am britischen Stolz.
Der Politjournalist Lewis Goodall bringt es auf den Punkt, wenn er sagt: «Die Briten sind zurzeit vergleichbar mit Ländern wie Italien oder Spanien. Doch eigentlich wollen wir in der obersten Liga spielen, mit Ländern wie Deutschland oder Südkorea.»
Tests nicht nötig, weil nicht vorhanden
Für Aufsehen sorgte gestern ebenfalls das Eingeständnis, dass die Regierung vor rund sechs Wochen das Testen nicht weiter ausbaute, weil es schlicht zu wenige Tests hatte. Ursprünglich hatte die stellvertretende Chefin der britischen Gesundheitsbehörde, Jenny Harries, zu den Tests gesagt: «It’s not an appropriate mechanism as we go forward», will heissen: Es ist keine sinnvolle Strategie für die Bekämpfung.
Jetzt gab Harries zu, dass der Entscheid so gefällt wurde, weil schlicht zu wenig Tests vorhanden waren. Es war nicht das einzige Mal, dass Boris Johnsons Regierung in der aktuellen Krise die Dinge besser verkauft, als sie eigentlich sind und Probleme vertuscht.
«Blitz-Spirit» statt Kritik
Die britischen Medien und die Opposition – sonst dafür bekannt, wenig zimperlich zu sein mit der Regierung – sind verhältnismässig zurückhaltend mit ihrer Kritik. Denn bei den Briten wird im Moment der sogenannte «Blitz-Spirit» heraufbeschworen. Ein Überbleibsel aus dem Zweiten Weltkrieg, bei dem das Land gegen den äusseren Feind zusammensteht.
Also so lange der Feind, in diesem Falle Corona, nicht besiegt ist, schickt es sich nicht, die eigene Regierung zu kritisieren. Doch es ist klar, es gibt eine Zeit danach und dann werden die Fragen von Opfern, Journalisten und Oppositionspolitikern lauter und sie wollen ehrliche Antworten.