Die Bilder der befreiten Gefangenen gingen in den letzten Tagen um die Welt. Immer noch werden Tausende vermisst. Niemand weiss, wo sie sind.
Wer in diesen Tagen in Damaskus unterwegs ist, begegnet den Überresten des Assad-Regimes überall. Mohammed kann nicht glauben, dass der Langzeitherrscher weg ist. Sieben Jahre lang war er in Assads berühmt-berüchtigtem Foltergefängnis Sednaja eingesperrt – vor wenigen Tagen wurde er befreit. «Mein erster Gedanke war: Ich habe das nicht erwartet, dass das jemals passieren kann. Dann habe ich es verstanden – und war glücklich.» Doch viele andere sind immer noch verschwunden.
Alle hier suchen Familienmitglieder. Im Sednaja-Gefängnis waren über 9000 Menschen eingesperrt. Freigekommen ist aber nur ein Bruchteil. Wo ist der Rest?
Wir machen uns auf in Richtung zum Sednaja-Gefängnis. Dort, wo in diesen Tagen so viel Trauer und Hoffnungen aufeinandertreffen. Hunderte sind gekommen, um vor Ort selbst nach ihren Liebsten zu suchen. «Alle hier suchen Familienmitglieder. Im Sednaja-Gefängnis waren über 9000 Menschen eingesperrt. Freigekommen ist aber nur ein Bruchteil. Wo ist der Rest?», fragt Muammun Ibrahim. Hamda Ali Faraj ist von Ost-Ghouta angereist, um ihre beiden Söhne zu suchen: «Leben sie noch oder sind sie tot? Ich warte hier seit fünf Tagen und habe nichts gehört», sagt die verzweifelte Mutter.
Abdallah und Yousif erzählen uns, dass sie mit den Rebellen aus Daraa zu den ersten gehörten, die das berüchtigte Foltergefängnis erreicht haben – und geholfen haben, Gefangene zu befreien. Sie nehmen uns mit in den Keller des Gefängnisses – wo sie 50 Gefangenenzellen entdeckt haben. «17 Personen waren hier eingesperrt», erzählen die beiden. Die Gefangenen hätten hier geschlafen, gegessen, getrunken. Sie hatten dabei nur eine einzige Toilette.
Die Gefangenen von Sednaja wurden täglich missbraucht, in den Intimbereich geschlagen. Ich leide bis heute darunter, weil ich von einem hochrangigen Offizier misshandelt worden bin.
Im Gefängniskeller liegt ein beissender Geruch nach Tod in der Luft. Unter der Assad-Herrschaft wurden hier Tausende Menschen willkürlich umgebracht. Von vielen fehlt jede Spur. «In dieses Loch haben sie Leichen geworfen und sie in Säure aufgelöst», erklärt einer der Rebellen.
Unterwegs in Assads Foltergefängnis begegnen wir vielen Menschen, die uns ihre Geschichte erzählen wollen. Einige waren selbst hier eingesperrt. Ein Mann erzählt uns von Folter und täglichem sexuellem Missbrauch. «Die Gefangenen von Sednaja wurden täglich missbraucht, in den Intimbereich geschlagen. Ich leide bis heute darunter, weil ich von einem hochrangigen Offizier misshandelt worden bin.»
Rund ums Gefängnis suchen die Rebellen derweil immer noch nach Spuren von Gefangenen. Noch haben sie die Hoffnung nicht aufgegeben und bitten um Unterstützung aus dem Ausland: «Wir bitten internationale Organisationen einzugreifen, und uns zu helfen. Weil wir keine Werkzeuge haben, um zu graben. Kommt und helft uns!»
Das Foltergefängnis Sednaja – Symbol für den Horror unter der Assad-Herrschaft und nur eines von mehreren Foltergefängnissen des Regimes. Die Aufarbeitung hat in Syrien eben erst begonnen und wird noch Jahre in Anspruch nehmen.